Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)
haben würden.«
»Ich zog die Hoffnung meiner Ahnung vor.«
»Oh, ein Aperçu.«
»Ich weiß, dass Sie derartige Sätze schätzen.«
»Wie feinfühlig, dass Sie nicht sagen lieben.«
»Weil dieses Wort für Marie-Thérèse reserviert ist.«
Der Comte legte die Queue beiseite und trat hinter seine zukünftige Frau. Besitzheischend legte er ihr die Hände auf die Schultern und schaute auf mich herab. Noch immer kniete ich vor Marie-Thérèse. Sie saß da wie eine Puppe. Allein ihre Augen sprachen. Sie glühten nach innen, was sie blickloser machte denn je. Seltsamerweise schöpfte ich gerade deswegen Hoffnung: Ich rang mir ein Lächeln ab und umFasste ihre gefalteten Hände. Um ihr eine Reaktion zu entlocken, schaute ich sie eindringlich an und rief ihr still zu: Mein Herz, ich weiß, du hast dich mir nicht verschlossen, ich weiß aber auch: Du musst jetzt dieses finstere Spiel durchstehen. Darum benimmst du dich wie ein Gegenstand.
Gib mir ein Zeichen, mein Herz!
Ihre Hände zuckten. Aber ihre Augen! Es war, als senke sich die Nacht herab.
»Was spielt ihr mit mir?« fragte ich rauh.
»Kein Spiel, Monsieur Petrus. Marie-Thérèse wählte aus freien Stücken.«
»Warum dann nicht Philippe? Hat er soviel weniger Geld?«
»Sie wagen es nicht noch einmal, meine Verlobte zu beleidigen, Petrus! Sonst …«
»Was?« herrschte ich den Comte an. »Bieten Sie mir dann ein Duell auf Pistolen an?«
Marie-Thérèse Augen begannen zu schillern. Hin und her gerissen zwischen Reue und Erleichterung musste ich selbst mit den Tränen kämpfen und hoffte inständig, Marie-Thérèse würde endlich alles erklären und damit dem Spuk ein Ende machen. Stattdessen aber erhob sie sich und rief zornig, dass sie zuerst der Kunst gehöre und aus diesem Grund nur das wirklich liebe, was sie bereits als Kind getröstet habe: »Und das ist ein Instrument namens Pianoforte!«
Sie drängte sich an mir vorbei und verließ das Spielkabinett. Kurze Zeit später knallte eine Tür. Der Comte musterte mich kalt, dabei begann seine Warze zwischen Nase und rechtem Augen leicht zu pulsieren. Er ist lang und reich, aber häßlich wie eine Kröte, dachte ich und wartete darauf, dass er mir in der nächsten Sekunde die Freundschaft aufkündigte und mich des Hauses verwies. Doch nichts dergleichen geschah. Als ob Joseph Comte de Carnoth geruhte, sich meine Verdienste um sein Vermögen ins Gedächtnis zu rufen, legte er die finstere Miene zugunsten eines plötzlich leutseligen Lächelns ab.
»Kommen Sie mit an den Kamin.«
»Sie glauben, es wird dann leichter für mich?«
»Vielleicht …«
Wie ein Hündchen hinter seinem Herrn trottete ich Comte de Carnoth nach, schlich über den herrlichen blauen chinesischen Seidenteppich und sank in einen der Louis-Quinze-Sessel. Im Kamin war frisch nachgelegt. Eine Flasche Champagner ruhte in einem Kübel Eiswasser, auf der Anrichte stand ein Tablett mit zwei Flûtes.
»Eine für Sie und die andere …
» … ist jetzt für Sie, Monsieur Petrus. Hätte aber auch für Baron Philippe sein können. Nun, Sie fanden eben zuerst zu uns.«
Der Comte klingelte. Hippolyte entkorkte die Fasche und schenkte ein. Mir war nicht nach Champagner, geschweige denn verlogener Feinschmecker-Konversation zumute, aber ich bekenne: Dieser Gosset kühlte wohltuend meine erhitzten Nerven – zumindest milderte er die zunehmenden Kopfschmerzen.
»Das Haus Gosset besteht seit 1584. Im selben Jahr wurde der erste Carnoth geadelt. Sie werden nun nachvollziehen können, warum sämtliche, in Bezug zu meiner Familie stehenden Begebenheiten seit jeher mit Gosset begossen werden. Selbstverständlich nur die freudigen.«
»Warum, Graf?«
Comte de Carnoth trank aus, erhob sich und schenkte mir und sich nach. »Ganz einfach, Monsieur Petrus: Marie-Thérèse ist ihrem Onkel verpflichtet … «
»Ah - wie konnte ich es vergessen: Onkel Balthasar - der selbstlose Freund dieses armen erschlagenen Nidwaldischen Priesters …«
»Ihr Ton sagt mir, dass Sie in Ehnheim die Wahrheit erfahren haben. Wären Sie ein anderer, würde ich mir Ihre Verschwiegenheit jetzt zu erkaufen suchen. Ihre Liebe jedoch scheint mir Marie-Thérèse besser zu schützen. Darf ich fortfahren?«
»Bitte.«
»Marie-Thérèse ist ihrem Vater verpflichtet. Wenn ich sage Vater, meine ich jenen Geistlichen, der für Marie-Thérèse, wie Sie wissen, noch immer nur der Onkel ist. Balthasar Abbé de Villers opferte der Ausbildung seiner Tochter sein gesamtes Vermögen. Er
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