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Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Antrag. Und du, mein Lieber, wirst mein Trauzeuge.«
    Ein irritierendes Funkeln beherrschte Philippes Augen. Groß und prächtig stand er da, einerseits wirkte er hilflos, andererseits zum äußersten entschlossen. Mir lief es heiß und kalt über den Rücken. Das erste Mal in meinem Leben bekam ich Angst vor Philippe. Ich spürte, es war bereits zu spät, ihm die Wahrheit zu sagen. Und hätte ich es doch getan, dann wäre ich nicht mehr lebend auf die Rue de Vaugirard gelangt.
    »Und wenn …«
    »Und wenn was?«
    »Sich Umstände ereignen würden, die eure Verbindung hintertrieben?«
    »Eben darum bin ich zum Teetrinker geworden, Petrus«, entgegnete Philippe, und ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen. »Denn Teetrinker sagen: Einen Plan zu ändern sollte nur ein Lächeln kosten. Man muss seinen Plan an die Bedingungen anpassen.«
    »Das klingt gefährlich …«
    »Soll es auch, mein Freund.«
    Philippe riss die Augen auf, trat auf mich zu – und umarmte mich. Ich wartete auf den Kuß. Den Todeskuß.
    Doch er kam nicht. Trotzdem glaubte ich diesem guten Omen nicht.
    Zuhause schüttelte ich diese bedrohliche Szene ab, indem ich an Albert Joffe schrieb. Wahrheitsgemäß berichtete ich von dem Verhältnis, das der Abbé mit seiner Stiefschwester gehabt hatte, den Rest behielt ich für mich. Schließlich hatte ich es der Baronin versprochen. „Was den Mord an Baron Ludwig betrifft, sind wir damit leider keinen Schritt weiter“, schloss ich den Brief. Allerdings wünschte ich mir derzeit einen „anderen“ Baron Philippe. Weniger eifersüchtig und weniger finster.
    Ein Wink mit dem Zaunpfahl.
    Vielleicht verstärkten sich Ludwigs Depressionen ja aufgrund ähnlicher Auseinandersetzungen, wie ich sie gerade erlebt habe, grübelte ich. Möglicherweise hat Ludwig seinen Zwilingsbruder erpreßt? Hatte etwas gegen ihn in der Hand?
    In diesem Licht betrachtet, deutete alles darauf hin, dass die geheimnisvolle Buchstabenbotschaft von Ludwig stammte. Während eines depressiven Schubs fand er Marie-Thérèses Ring und ritzte mit ihm in die Scheiben.
    Du wirst vergessen.
    Mich. Eines Tages.
    u n j our tu m ´ oub lieras m arie- t hérèse.
    Eines Tages wirst du mich vergessen, Marie-Thérèse.
    Die Ritzzeichen waren eine Abschiedsbotschaft. Nur das hatte einen Sinn. Ich war mir sicher, zweifelte nicht und spürte, wie sich der Kreis schloss. Doch auch diese Erkenntnis behielt ich für mich. Komm selber drauf, Albert Joffe, dachte ich spöttisch.
    Sekunden später hörte ich auf zu atmen. Es gab noch eine Möglichkeit: Ludwig hatte in Erfahrung gebracht, dass Marie-Thérèse seine Schwester ist.
    Abbé de Villers hatte es ihm verraten.
    So einfach war alles.

20.
    Die Nacht wurde so anstrengend wie der verstrichene Tag. Angetrunken wie ich war, sank ich zunächst in eine Art Halbschlaf, dann wieder schreckte ich hoch und lag minutenlang wach – aber auch nur, um diesen schwindeligen Wachzustand plötzlich gegen wirre Träume einzutauschen. Sie ließen nichts als Unruhe zurück, denn ihre Bilder hatte ich beim Aufwachen sofort vergessen.
    Du solltest etwas Wasser trinken, sagte ich mir und setzte mich auf. Spürst du nicht, wie durstig du bist? Der Gewürztraminer ist dir nicht bekommen, das Elsaß auch nicht, und wenn Philippe seinen Bruder umgebracht hat, wirst du bald der nächste sein. Mir war, als müsse ich in diesem Delirium unbedingt zur Klarheit finden, eine innere Stimme jedoch sagte mir, dass ich mich mit solchen Gedanken nur ausweglos in all die Enthüllungen der vergangenen Stunden verstrickte. Aufseufzend sank ich zurück und versuchte zu meditieren, doch mein Geist gebärdete sich wie ein Raubtier im Tretrad. Mir kam es vor, als verrichtete ich körperliche Schwerstarbeit: Mein Wälzen brachte die Scharniere meines Diwans zum Ächzen, irgendwann empfand ich ihn so unbequem wie eine bucklige Wiese. Meine Glieder schmerzten und verlangten in einem nicht enden wollenden Reigen mal nach der Kühle des Lakens, im nächsten Moment aber schon wieder nach der Wärme der Bettdecke. Mal war sie mir zu glatt, mal zu kraus - alles war falsch. Statt irgend etwas zu fassen oder zu verstehen, züchtete ich nur Martern. Erst im Morgengrauen fand ich zu einigermaßen erholsamen Schlaf - aus purer Erschöpfung.
    Doch wenn die Gedanken betäubt sind, gilt dies noch lange nicht für die Seele. Sie hat ein ewiges Gedächtnis und vergisst nichts. Und wenn die Sehnsucht nach Antwort so groß ist, dass wir ob dieser Last

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