Der Hypnotiseur: Historischer Roman (German Edition)
bestätigt, dass du denselben Abend hier gewesen bist, ist dies völlig ausreichend.«
»Und wenn ich wieder fortgegangen wäre?«
»Bei allem Respekt vor deiner und deines Bruders Dienerschaft: Sie hätten es aus Angst zu Protokoll gegeben. Deine Wohnung ist eine Wohnung und kein Palast. So einfach hier unbemerkt zu verschwinden, um dort wieder aufzukreuzen und schnell mal den Bruder zu meucheln … nein, Philippe. Aber etwas anderes: Morgen ist Marie-Thérèses Konzert. Wollen wir sie abholen und begleiten?«
»Was? Gemeinsam?«
Philippes Laune verschlechterte sich schlagartig. Sein Gesicht verhärtete sich wieder, mehr noch, es nahm grimmige Züge an. Ich hatte mit Eifersucht gerechnet, aber was Philippe sich im folgenden leistete, glich einem hysterischen Anfall: Mit beißender Schärfe blaffte er mich an, dass er mir zwar nicht verbieten könne, sie im Conservatoire zu hören, sich aber verbitte, sie in irgendeiner Weise zu belästigen. Ich zwang mich dazu, in aller Ruhe meinen Kaffee auszutrinken, doch ein Gedanke hetzte den nächsten. Wenn Philippe bereits jetzt so eifersüchtig war, wie erst würde er sich aufführen, wenn er erfuhr, dass ich Marie-Thérèse längst besucht hatte? Vielleicht solltest du ihm jetzt gleich reinen Wein einschenken, dachte ich. Immerhin haben sie und ich uns bereits geküßt.
Kein Ton kam jedoch über meine Lippen, weil eine innere Stimme mir sagte, dass Marie-Thérèse mich dann als kleinen dummen Schwärmer verspotten würde. Ich dachte nach und erkannte: Diese Frau würde unser beider Charakter, den meinen und den Philippes über einen längeren Zeitraum abwägen, bis sie sich für einen von uns entschied – gleichgültig, wie romantisch sich die einzelnen Begegnungen entwickelten.
»Du hast ganz richtig gesagt, Philippe: Du kannst mir nicht verbieten, sie zu hören. Ich gehe aber noch einen Schritt weiter: Du wirst schon ihr überlassen müssen, ob sie sich von mir belästigt fühlt. Glaubst du etwa, ich bin in diesem Spiel ein Hund und du mein Herr?«
»Spiel? Du bist ein niederträchtiges … «
»Beherrsche dich, bitte.«
Philippe dachte gar nicht daran. Er packte mich am Revers und versuchte, mich zu sich hochzuziehen. Unsinnigerweise fiel mir der Kampf mit dem Schnauzer ein, aber gerade diese Erinnerung verlieh mir eine stoische Ruhe, die es mir erlaubte, mit meinen Augen zu zaubern: Tatsächlich griff ich Philippe mit Blicken an, verteidigte mich mit allein mit der Kraft, die über meine Augen strömte: „Laß los.“ Wenige Kommandos genügten, Philippe zu verunsichern. Sein Griff lockerte sich.
»Man kann in dir tatsächlich ersaufen, du Magus«, stieß er heiser hervor und strich mein zerknautschtes Revers glatt. Wie ein Tiger durchmaß er seinen Gemälde-Salon. Mal hielt er die Arme auf dem Rücken verschränkt, dann wieder waren seine Hände geballt. Plötzlich blieb er stehen, drehte sich langsam zu mir um und sagte höhnisch: »Deine Augen und Blicke machen sie auch nicht schneller feucht.«
Ich bekam Hitzewallungen vor unterdrückter Wut. Doch da begann Philippe zu reden: Ja, er sei eifersüchtig, bekannte er, aber dies begreife er als Tugend und nicht als Laster. Weshalb der Tod seines Bruders für ihn wie eine Erlösung sei.
»Ich weiß nicht, ob er sie gehabt hat, Petrus. Und das allein macht mich bereits krank! Aber jetzt ist er nicht mehr da, verstehst du? Jetzt nehme ich seine Stelle ein! Ich, der Erstgeborene, wie es mir zusteht, selbst wenn es noch so überholt klingt. Zum Teufel mit dir und jedem anderen: Ich will diese Frau. Marie-Thérèse muss mir gehören. Ich begehre sie bis zum Irrsinn. Wenn es nicht anders ginge, würde ich sie umbringen, um mich dann an ihr satt zu fressen wie ein Geier.«
»So etwas nennt man Manie, mein Freund.«
»Spar dir deine Diagnosen. Stell dich mir nicht in den Weg, Petrus. Sie muss mir gehören.«
»Aha. Denn sonst bringst du mich um. Wie wirst du diesmal verfahren?«
»Verschwinde!«
Das schlossähnliche Conservatoire am Parc de Menceau, zwanzig Gehminuten von der Baustelle des Arc de Triomphe entfernt, war neben der Académie de Musique die Adresse für die große Musik. Direktor Luigi Cherubini und Dirigent François Antoine Habeneck hatten das Conservatoire zu einer allerersten Adresse in Europa gemacht, zu einer Heimstatt der musikalischen Avantgarde, in der in diesem Semester erstmals auch eine Klavierklasse für Frauen eingerichtet worden war.
Leidenschaftliche Künstlerin wie Marie-Thérèse
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