Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
Hast du die Polizei gerufen?«
»Ja, ich habe meinen Vater angerufen.«
»Gut.«
»Er meinte, dass er sich sofort ins Auto setzt.«
»Du musst weiter weggehen, Simone.«
»Ich stehe auf dem Fahrradweg.«
»Siehst du das Haus?«
»Ja.«
»Wenn du das Haus siehst, kann jemand, der sich im Haus aufhält, dich sehen.«
»Hör auf«, sagte sie.
»Geh bitte zum Fußballplatz hoch – ich komme nach Hause.«
Ich parkte hinter Kennets schmutzigem Opel und stieg aus. Kennet kam mit verbissener Miene auf mich zu.
»Wo zum Teufel ist Sixan?«, rief er.
»Ich habe ihr gesagt, sie soll auf dem Fußballplatz warten.«
»Gut, ich hatte schon Angst, sie …«
»Sie wäre sonst mit Sicherheit ins Haus gegangen, ich kenne sie, sie kommt auf dich.«
Er lachte und umarmte mich fest.
»Schön, dich zu sehen, mein Junge.«
Wir gingen um die Häuserzeile herum auf die Rückseite. Simone stand nur ein kleines Stück von unserem Grundstück entfernt. Vermutlich hatte sie die eingeschlagene Tür bewacht, die direkt auf unsere schattige Veranda hinausführte. Sie blickte auf, ließ das Fahrrad stehen, kam zu mir, umarmte mich fest, schaute über meine Schulter und sagte:
»Hallo, Papa.«
»Ich gehe jetzt rein«, erklärte er ernst.
»Ich komme mit«, sagte ich.
»Frauen und Kinder müssen draußen warten«, seufzte Simone.
Wir stiegen alle drei über die niedrige Fingerstrauchhecke, überquerten den Rasen und die Veranda mit dem weißen Plastiktisch und vier Plastikstühlen.
Die Treppenstufe und das Blech waren von Glasscherben übersät. Zwischen den Scherben und Glassplittern auf dem Teppichboden in Benjamins Zimmer lag ein großer Stein. Wir gingen weiter in die Wohnung hinein, und ich überlegte, dass ich nicht vergessen durfte, Kennet von der Rute zu erzählen.
Simone folgte uns und schaltete die Karlsson-vom-Dach-Lampe an der Decke an. Ihr Gesicht glühte, und die rotblonden Haare lagen in Locken auf ihren Schultern.
Kennet ging in den Flur, schaute rechts ins Schlafzimmer und dann ins Badezimmer. Die Leselampe im Wohnzimmer brannte. In der Küche lag ein umgekippter Stuhl. Wir gingen von Raum zu Raum, aber es schien nichts gestohlen worden zu sein. Jemand war im Erdgeschoss auf der Toilette gewesen, das Toilettenpapier war über den ganzen Fußboden abgerollt worden. Kennet sah mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an.
»Hat irgendwer ein Hühnchen mit dir zu rupfen?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte ich. »Sicher, ich begegne einer Menge labiler Menschen … genau wie du.«
Er nickte.
»Sie haben nichts mitgenommen«, sagte ich.
»Ist das normal, Papa?«, erkundigte sich Simone.
Kennet schüttelte den Kopf.
»Es ist nicht normal, jedenfalls nicht, wenn man ein Fenster einschlägt. Ihr solltet erfahren, dass er oder sie hier gewesen ist.«
Simone stand im Türrahmen zu Benjamins Zimmer.
»Ich finde, es sieht aus, als hätte jemand in Benjamins Zimmer gelegen«, sagte sie leise. »Wie heißt noch dieses Märchen? Goldlöckchen, stimmt’s?«
Wir eilten in unser Schlafzimmer und sahen, dass auch jemand in unseren Betten gelegen hatte. Die Tagesdecke war heruntergezogen worden und das Bettzeug zerknittert.
»Das ist nun wirklich verdammt seltsam«, meinte Kennet.
Es wurde eine Weile still.
»Dieses Ding«, platzte Simone heraus.
»Ja, genau, eben habe ich noch daran gedacht, und dann habe ich es doch wieder vergessen«, sagte ich, ging in den Flur und holte die Rute von der Hutablage.
»Was zum Teufel ist denn das?«, fragte Kennet.
»Das Ding lag gestern vor unserer Tür«, antwortete Simone.
»Darf ich mal sehen?«, sagte Kennet.
»Ich glaube, es ist eine Art Rute«, sagte ich. »Mit den Dingern hat man früher Kinder geschlagen.«
»Gut für die Disziplin«, grinste Kennet und sah sie sich an.
»Das gefällt mir gar nicht, ich finde das wirklich unheimlich«, sagte Simone.
»Ihr seid nicht bedroht worden?«
»Nein«, antwortete sie.
»Vielleicht soll man es ja so verstehen«, sagte ich, »dass jemand der Meinung ist, wir müssten bestraft werden. Ich habe es bisher nur für einen schlechten Scherz gehalten, weil wir Benjamin so bemuttern. Ich meine, wenn man nichts von Benjamins Krankheit weiß, können wir anderen Leuten schon ziemlich neurotisch vorkommen.«
Simone ging zum Telefon und rief in der Vorschule an, um sich zu vergewissern, dass mit Benjamin alles in Ordnung war.
Am Abend brachten wir Benjamin früh
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