Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
und die Treppe suggerierte, die endlos abwärtsführte, dachte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Als ich langsam am Fels entlang tiefer und tiefer fiel, wurde ich in körperwarmes Wasser gehüllt.
Eva Blau hob das Kinn, befeuchtete ihre Lippen, sog die Wangen ein und flüsterte:
»Ich sehe sie einen Menschen mitnehmen. Sie gehen einfach hin und nehmen einen Menschen mit.«
»Wer nimmt einen Menschen mit?«, fragte ich.
Sie begann, unregelmäßig zu atmen. Ihr Gesicht verfinsterte sich. Braunes Wasser strömte trübe an ihr vorbei.
»Ein Mann mit einem Pferdeschwanz, er hängt den kleinen Menschen an die Decke«, wimmerte sie.
Ich sah, dass sie eine Hand fest um das Tau mit dem wehenden Tang geschlossen hielt, ihre Beine bewegten sich langsam paddelnd.
Mit einem schwindelerregenden Sprung war ich außerhalb der Hypnose. Ich wusste, dass Eva Blau bluffte, sie war nicht hypnotisiert. Mir war nicht klar, woher ich das so genau wissen konnte, aber ich war mir vollkommen sicher. Sie hatte sich meinen Worten widersetzt, die Suggestion blockiert. Mein Gehirn flüsterte eiskalt: Sie lügt, sie ist nicht einmal ansatzweise hypnotisiert.
Ich sah, wie sie sich auf ihrem Stuhl vor und zurück warf.
»Der Mann zieht und zieht an dem kleinen Menschen, er zieht zu fest …«
Plötzlich begegnete Eva Blau meinem Blick und verstummte. Ein breites Grinsen verzog ihre Lippen.
»War ich gut?«, fragte sie mich.
Ich antwortete nicht. Stand nur da und sah sie aufstehen, ihren Mantel vom Haken nehmen und seelenruhig den Raum verlassen.
Ich schrieb »Verwunschenes Schloss« auf ein Blatt Papier, schlug Videokassette Nummer 14 darin ein und streifte einen Gummiring um beides. Statt die Kassette wie sonst zu archivieren, nahm ich sie mit in mein Arbeitszimmer. Ich wollte Eva Blaus Lüge und meine Reaktion analysieren, erkannte jedoch schon im Flur, was die ganze Zeit nicht gestimmt hatte: Eva war sich ihres Gesichts bewusst gewesen, sie hatte versucht, niedlich auszusehen, sie hatte nicht den trägen, unverstellten Gesichtsausdruck gezeigt, den Hypnotisierte sonst aufweisen. Wer in Hypnose versetzt wurde, konnte zwar lächeln, tat dies jedoch nicht wie sonst, sondern mit dem schlaffen Lächeln eines Schlafenden.
Als ich mein Büro erreichte, stand die junge angehende Ärztin davor und wartete auf mich. Ich war selbst überrascht, dass ich noch wusste, wie sie hieß: Maja Swartling.
Wir begrüßten einander, und noch ehe ich die Tür aufgeschlossen hatte, sagte sie schnell:
»Sie müssen entschuldigen, dass ich so anhänglich bin. Aber ein Teil meiner Abhandlung baut auf Ihrer Forschung auf, und nicht nur ich selbst, sondern mein Betreuer und ich wollen, dass das Objekt selbst einbezogen wird.«
Sie sah mich ernst an.
»Ich verstehe«, sagte ich.
»Ist es okay, wenn ich ein paar Fragen stelle?«, erkundigte sie sich. »Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen ein paar Fragen stelle?«
Sie hatte auf einmal einen Blick wie ein kleines Mädchen: hellwach, aber unsicher. Ihre Augen waren sehr dunkel und hoben sich schwarz schimmernd von ihrem ungewöhnlich hellen Teint ab. Die Haare glänzten sorgsam gebürstet in ihren geflochtenen Kränzen. Die Frisur war zwar altmodisch, stand ihr aber gut.
»Darf ich?«, fragte sie sanft. »Sie ahnen nicht, wie hartnäckig ich sein kann.«
Ich ertappte mich dabei, sie anzulächeln. Sie hatte etwas so Frisches und Fröhliches an sich, dass ich spontan die Arme ausbreitete und erklärte, ich sei bereit. Sie lachte auf und sah mich mit einem zufriedenen, langen Blick an. Ich schloss auf, und sie folgte mir in mein Arbeitszimmer, setzte sich auf den Besucherstuhl, zog Schreibblock und Stift heraus und lächelte mich an.
»Was wollen Sie mich fragen?«
Maja errötete heftig, begann zu sprechen und lächelte immer noch so breit, als könnte sie einfach nicht anders:
»Vielleicht fangen wir mit der Praxis an … Welche Möglichkeiten hat ein Patient, Sie zu täuschen und nur Dinge zu sagen, die Sie gerne hören wollen?«
»Ehrlich gesagt ist mir das heute passiert«, sagte ich lächelnd. »Eine Patientin wollte nicht hypnotisiert werden, hat aber so getan, als stünde sie unter Hypnose.«
Maja war ruhiger geworden, wirkte jetzt weniger unsicher. Nun lehnte sie sich vor, spitzte die Lippen und fragte:
»Sie hat Theater gespielt?«
»Ich habe es natürlich gemerkt.«
Sie hob fragend die Augenbrauen.
»Wie?«
»Es gibt sehr deutliche äußere Anzeichen für hypnotische
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