Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören
Und der Junge hat höchstwahrscheinlich das Gesicht des Täters gesehen. Wenn Sie mir nicht helfen, ihn zu befragen, werde ich ihn vorschriftsgemäß vernehmen, aber es wäre mir natürlich lieber, es auf die für ihn bestmögliche Art zu tun.«
»Und welche Art wäre das?«, fragt Erik.
»Unter Hypnose«, antwortet Joona.
Erik sieht ihn an und sagt langsam:
»Ich habe nicht einmal die Zulassung, in diesem Haus zu hypnotisieren …«
»Ich habe mit Annika gesprochen«, wirft Daniella ein.
»Und was hat sie gesagt?«, fragt Erik und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Man macht sich nicht sonderlich beliebt, wenn man die Hypnose eines instabilen Patienten erlaubt, der noch dazu minderjährig ist, aber da ich für den Patienten verantwortlich bin, hat sie mir die Entscheidung überlassen.«
»Ich möchte mir das wirklich ersparen«, sagt Erik.
»Warum?«, fragt Joona Linna.
»Dazu sage ich nichts, aber ich habe mir geschworen, nie wieder jemanden zu hypnotisieren, und es ist eine Entscheidung, zu der ich nach wie vor stehe.«
»Aber können Sie auch in diesem Fall dazu stehen?«, fragt Joona.
»Ich weiß es wirklich nicht.«
»Mach eine Ausnahme«, sagt Daniella.
»Also eine Hypnose«, seufzt Erik.
»Ich möchte, dass du es versuchst, sobald der Patient deiner Meinung nach auch nur ansatzweise empfänglich dafür ist«, sagt Daniella.
»Es wäre gut, wenn du dabei sein könntest«, erwidert Erik.
»Ich habe mich für die Hypnose entschieden«, erklärt sie. »Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass du damit auch die Verantwortung für den Patienten übernimmst.«
»Dann stehe ich jetzt also allein?«
Daniella sieht ihn müde an und sagt:
»Ich habe die ganze Nacht gearbeitet und versprochen, Tindra zur Schule zu begleiten. Wenn du willst, können wir uns heute Abend darüber streiten, aber jetzt muss ich erst einmal nach Hause und schlafen.«
Erik sieht sie den Korridor hinuntergehen. Der rote Mantel flattert hinter ihr her. Joona schaut zu dem Patienten hinein. Erik geht auf die Toilette, schließt ab, wäscht sich das Gesicht, zieht ein paar ungebleichte Papierhandtücher heraus und trocknet Stirn und Wangen ab. Er zieht sein Handy aus der Tasche und ruft Simone an, aber sie meldet sich nicht. Er versucht es zu Hause, lauscht den Klingelzeichen und dem Spruch auf dem Anrufbeantworter. Als das Piepen anzeigt, dass die Aufnahme beginnt, weiß er nicht mehr, was er sagen soll:
»Sixan, ich … du musst mir zuhören, ich weiß nicht, was du glaubst, aber es ist nichts passiert, vielleicht ist dir das ja auch egal, aber ich verspreche dir, dass ich einen Weg finden werde, dir zu beweisen, dass ich …«
Erik verstummt, denn er weiß, dass seine Worte keine Bedeutung mehr haben. Er hat sie vor zehn Jahren angelogen, und es ist ihm seither nicht gelungen, ihr seine Liebe zu beweisen, nicht genug, nicht so, dass sie ihm wieder hundertprozentig vertraut. Er bricht das Gespräch ab, verlässt die Toilette und geht zu der Tür mit dem Glasfenster, wo der Kriminalkommissar steht und hineinschaut.
»Was ist eine Hypnose eigentlich genau?«, fragt der Kommissar nach einer Weile.
»Es handelt sich nur um einen veränderten Bewusstseinszustand, der Ähnlichkeit mit Suggestion und Meditation hat«, antwortet Erik.
»Okay«, sagt Joona zögernd.
»Wenn Sie Hypnose sagen, meinen Sie eigentlich eine Heterohypnose, bei der eine Person zu einem bestimmten Zweck eine andere hypnotisiert.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, um negative Halluzinationen auszulösen.«
»Was ist das?«
»Am häufigsten hemmt man die bewusste Wahrnehmung von Schmerz.«
»Aber der Schmerz ist noch da.«
»Das kommt ganz darauf an, wie Sie Schmerz definieren«, antwortet Erik. »Der Patient spricht natürlich mit physiologischen Reaktionen auf den Schmerzreiz an, spürt aber gleichzeitig keinen Schmerz. Unter klinischer Hypnose kann man sogar operieren.«
Joona schreibt etwas in seinen Notizblock.
»Rein neurophysiologisch betrachtet«, fährt Erik fort, »funktioniert das Gehirn unter Hypnose auf eine ganz besondere Weise. Teile des Gehirns, die wir selten anwenden, werden auf einmal aktiviert. Ein hypnotisierter Mensch ist sehr entspannt und sieht fast aus, als würde er schlafen, aber macht man ein EEG , zeigen uns seine Gehirnaktivitäten einen Menschen, der aufmerksam und wach ist.«
»Der Junge öffnet ab und zu die Augen«, sagt Joona und blickt durch das Fenster zu ihm hinein.
»Das habe ich
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