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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Klopfen geht weiter. Mir wird klar, dass mich jemand ärgern will.«
    Der Patient atmet schneller.
    »Was passiert jetzt?«, fragt Erik.
    »Ich gehe in die Küche und nehme mir ein Brotmesser.«
    »Du willst eine Scheibe Brot essen?«
    »Aber jetzt fängt das Klopfen wieder an, das Geräusch kommt aus Lisas Zimmer. Die Tür steht einen Spaltbreit offen, und ich sehe, dass ihre Prinzessinnenlampe brennt. Vorsichtig stoße ich mit dem Messer die Tür auf und schaue hinein. Lisa liegt in ihrem Bett. Sie hat die Brille an, aber ihre Augen sind zu und sie atmet keuchend. Ihr Gesicht ist weiß. Arme und Beine sind ganz starr. Dann biegt sie den Kopf nach hinten, sodass ihr Hals ganz gespannt ist, und tritt mit den Füßen gegen das Fußende des Betts. Sie tritt immer schneller und schneller. Ich sage ihr, dass sie aufhören soll, aber sie macht weiter, immer fester. Ich schreie sie an und das Messer sticht schon zu und Mama kommt angelaufen und zerrt an mir und ich drehe mich um und das Messer sticht zu, es schießt nur so aus mir heraus, ich hole neue Messer, ich habe Angst, aufzuhören, ich muss weitermachen, das darf nicht alles gewesen sein, Mama kriecht durch die Küche, und der Fußboden ist ganz rot, ich muss die Messer an allem ausprobieren, an mir selbst, an den Möbeln, den Wänden, ich schlage und steche, und dann werde ich auf einmal müde und lege mich hin. Ich weiß nicht, was passiert, ich habe Schmerzen und bin durstig, kann mich aber nicht bewegen.«
    Erik spürt, wie eng er mit dem Jungen in Verbindung steht, tief unten in dem hellen Wasser, ihre Beine bewegen sich sanft, und sein Blick folgt der Felswand, tiefer und tiefer, sie hat kein Ende, das Wasser wird nur immer dunkler und blaugrau und schließlich verlockend schwarz.
    »Du hast …«, setzt Erik an und hört seine eigene Stimme zittern. »Du hast vorher deinen Vater getroffen.«
    »Ja, am Fußballplatz«, antwortet Josef.
    Er verstummt, scheint sich zu wundern, starrt mit schlafendem Blick ins Leere.
    Erik sieht, dass Josefs Puls schneller wird, und begreift, dass gleichzeitig der Blutdruck fällt.
    »Ich möchte, dass du tiefer sinkst«, sagt Erik gedämpft. »Du sinkst, fühlst dich ruhiger, wohliger und …«
    »Mama nicht?«, fragt der Junge mit kläglicher Stimme.
    »Josef, erzähl mir, hast du auch deine große Schwester Evelyn getroffen?«
    Erik beobachtet Josefs Gesicht und ist sich bewusst, dass seine Vermutung zu einem Problem, einem Riss in der Hypnose führen könnte, falls sich herausstellen sollte, dass er sich irrt. Aber er muss diese jähe Kehrtwende machen, denn die Zeit wird knapp, er muss die Hypnose jeden Moment abbrechen, der Zustand des Patienten ist wieder kritisch.
    »Was ist passiert, als du Evelyn getroffen hast?«, fragt er.
    »Ich hätte niemals zu ihr fahren sollen.«
    »War das gestern?«
    »Sie hat sich im Sommerhaus versteckt«, flüstert der Junge lächelnd.
    »In welchem Sommerhaus?«
    »Tante Sonjas«, sagt er müde.
    »Kannst du beschreiben, was in dem Sommerhaus passiert ist?«
    »Ich stehe nur da, und Evelyn freut sich überhaupt nicht, ich weiß, was sie denkt«, murmelt er. »Ich bin für sie nur ein Hund, ich bin nichts wert …«
    Josef weint, sein Mund zittert.
    »Sagt Evelyn das zu dir?«
    »Ich will nicht, ich brauche das nicht, ich will nicht«, jammert Josef.
    »Was willst du nicht?«
    Seine Lider beginnen, unkontrolliert zu zittern.
    »Was passiert jetzt, Josef?«
    »Sie sagt, dass ich beißen, immer weiter zubeißen muss, um meine Belohnung zu bekommen.«
    »Wen sollst du beißen?«
    »In dem Sommerhaus gibt es ein Bild, ein Bild in einem Rahmen, der aussieht wie ein Fliegenpilz … da sind Papa, Mama und Lisa, aber …«
    Sein Körper ist plötzlich angespannt, seine Beine bewegen sich schnell und schwer, er löst sich aus der ganz tiefen Hypnose. Erik lenkt ihn vorsichtig ab, beruhigt ihn und hebt den Patienten einige Bewusstseinsstufen höher. Sorgsam schließt er die Türen zu allen Erinnerungen an den Vortag und zu allen Erinnerungen an die Hypnose. Keine von ihnen darf offen stehen, wenn er den vorsichtigen Prozess des Aufweckens beginnt.
    Als Erik Josef verlässt, liegt der Junge lächelnd im Bett. Der Kriminalkommissar steht von seinem Stuhl in der Ecke auf, verlässt gemeinsam mit Erik das Zimmer und geht zum Kaffeeautomaten.
    »Ich bin beeindruckt«, sagt Joona leise und zieht sein Handy heraus.
    Ein trostloses Gefühl übermannt Erik, die Vorahnung, dass etwas unwiderruflich

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