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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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neun gewesen und hatte begriffen, dass ihre Mutter sie verlassen wollte. Sie hatte nicht gewagt, sich darauf zu verlassen, dass ihr Vater bei ihr bleiben würde.
    Als Simone in die Küche kommt, sieht sie, dass Kennet einen Hefekranz auf der Tüte aufgeschnitten hat, in der er gelegen hat. Die Kaffeemaschine ist eingeschaltet, und in der Kanne ist ein dunkler Bodensatz.
    Der Geruch des angebrannten Kaffees vermischt sich mit dem panischen Gefühl, dass sie sich vermutlich jenseits der letzten Überreste der glücklichen Phase in ihrem Leben befindet. Es kommt ihr vor, als wäre ihr Leben in zwei Akte eingeteilt. Der erste, glückliche Akt, ist soeben zu Ende gegangen, und sie erträgt es nicht, daran zu denken, was vor ihr liegt.
    Simone geht zu ihrer Handtasche und zieht das Handy heraus. Wie nicht anders zu erwarten, hat Ylva mehrmals versucht, sie anzurufen. Shulman steht ebenfalls auf der Liste. Simone geht zu seiner Nummer, drückt auf »Rufaufbau«, überlegt es sich jedoch wieder anders, noch ehe es klingeln kann. Sie legt das Handy weg und kehrt zum Computer zurück.
    Vor dem Fenster ist es dezemberlich dunkel. Es scheint windig zu sein. Die hängenden Straßenlaternen schaukeln hin und her, und nasse Schneeflocken fallen durch das Licht.
    Simone findet eine gelöschte Mail von Aida mit dem Text: Du tust mir so leid, weil du in einem Haus voller Lügen leben musst. Die Nachricht hat einen großen Anhang. Simone spürt den schneller werdenden Puls in den Schläfen, als sie die Maus zu ihm bewegt. Sie will gerade ein Bildprogramm auswählen, um die Datei im Anhang zu öffnen, als es vorsichtig an der Wohnungstür klopft. Es ist fast nur ein Kratzen. Sie hält die Luft an, hört es nochmals klopfen und steht auf. Als sie durch den langen Korridor geht, der zum Eingangsflur und zur Wohnungstür führt, hat sie Pudding in den Beinen.

29.
     
    Sonntagnachmittag, der dreizehnte Dezember,
Luciafest
     
     
     
     
    Kennet sitzt vor Aidas Hauseingang in Sundbyberg im Auto und grübelt über die seltsamen Drohungen in Benjamins Computer nach: »Nicke sagt, dass Wailord wütend ist und sein Maul gegen dich aufgerissen hat. Lass Nicke nicht zum Meer gehen.« Er überlegt, wie oft er in seinem Leben Angst gesehen und gehört hat. Das Gefühl ist ihm durchaus vertraut, denn kein Mensch geht ohne Angst durchs Leben.
    Das Mietshaus, in dem Aida wohnt, ist relativ klein, es hat nur drei Stockwerke und sieht überraschend idyllisch, altmodisch und zuverlässig aus. Er betrachtet das Foto, das Simone ihm gegeben hat. Ein gepierctes Mädchen, die Augen sind schwarz geschminkt. Er fragt sich, warum es ihm schwerfällt, sie sich in diesem Haus vorzustellen, am Küchentisch oder in einem Zimmer, in dem Pferdeposter von Bildern Marilyn Mansons ersetzt wurden.
    Kennet will aus dem Wagen steigen, um sich zu dem Balkon zu schleichen, der seiner Vermutung nach zu Aidas Wohnung gehört, hält jedoch inne, als er eine übergewichtige Gestalt erblickt, die auf dem Fußweg hinter den Häusern auf und ab geht.
    Plötzlich geht die Haustür auf. Aida kommt heraus. Sie scheint es eilig zu haben. Sie wirft einen Blick über ihre Schulter, zieht eine Zigarettenschachtel aus der Tasche, fischt mit den Lippen eine Zigarette aus der Schachtel, zündet sie sich an und raucht, ohne langsamer zu gehen. Kennet folgt ihr in Richtung U-Bahn-Station. Er überlegt, dass er mit ihr sprechen wird, sobald er weiß, wohin sie unterwegs ist. Ein Bus fährt donnernd vorbei, irgendwo bellt ein Hund. Kennet sieht auf einmal, dass die groß gewachsene Gestalt, die sich hinter dem Haus bewegt hat, auf Aida zurennt. Sie muss etwas gehört haben, denn sie dreht sich um. Er nähert sich ihr im Laufschritt. Sie scheint sich zu freuen und lächelt über das ganze Gesicht: Die bleich gepuderten Wangen und die schwarz geschminkten Augen sind auf einmal ganz kindlich. Die Gestalt hüpft vor ihr beidfüßig auf und ab. Sie streichelt seine Wange, und er umarmt sie daraufhin. Sie geben sich Küsschen auf die Nasenspitzen, und Aida winkt ihm zum Abschied zu. Kennet kommt näher und überlegt, dass dies ihr Bruder sein muss. Der Junge bleibt stehen und schaut Aida hinterher, winkt kurz und dreht sich um. Kennet sieht sein weiches und offenes Gesicht. Ein Auge schielt kräftig. Kennet bleibt unter einer Straßenlaterne stehen und wartet. Der Junge nähert sich ihm mit großen, plumpen Schritten.
    »Hallo Nicke«, sagt Kennet.
    Nicke hält inne und wirkt ängstlich. In beiden

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