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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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an einen Bankautomaten und wartet ab. Nicke ist wieder stehen geblieben. Ungeduldig stapft er neben dem Brunnen vor der Bücherei auf und ab. Der Platz ist schlecht beleuchtet, aber Kennet sieht trotzdem, dass Nicke unablässig an der Erde in seiner Hosentasche herumfingert.
    Plötzlich geht ein kleinerer Junge direkt durch die Sträucher neben der Zahnärztlichen Ambulanz und tritt auf den Platz hinaus. Er nähert sich Nicke, bleibt vor ihm stehen und sagt etwas. Nicke legt sich sofort auf die Erde und übergibt das Geld. Der Junge zählt es und tätschelt Nickes Kopf. Dann packt er plötzlich Nickes Jackenkragen, schleift ihn zum Rand des Brunnens und presst sein Gesicht ins Wasser. Kennet ist drauf und dran, zu ihnen hinüberzulaufen, zwingt sich jedoch, stehen zu bleiben. Er ist hier, um Benjamin zu finden. Er darf den Jungen nicht verscheuchen, der Wailord sein oder ihn zumindest zu Wailord führen könnte. Kennet bleibt mit zusammengebissenen Zähnen stehen und zählt die Sekunden, bis er eingreifen muss. Nickes Beine zucken und treten ins Leere, und Kennet sieht die unerklärliche Ruhe im Gesicht des anderen Jungen, als er schließlich loslässt. Nicke sitzt neben dem Brunnen auf der Erde und hustet und rülpst. Der Junge gibt Nicke einen letzten Klaps auf die Schulter und geht weg.
    Kennet folgt ihm durch die Büsche und eine lehmige Grasböschung hinunter zu einem Fußweg. Er eilt ihm an einer Hochhaussiedlung vorbei zu einem Hauseingang hinterher, geht schneller und fängt die Tür auf, ehe sie sich wieder schließt. Kennet kommt gerade rechtzeitig zum Aufzug, um zu sehen, dass die Anzeige für die sechste Etage leuchtet. Er steigt ebenfalls im sechsten Stock aus, zögert, tut so, als würde er etwas in seinen Taschen suchen, und sieht den Jungen zu einer Tür gehen und einen Schlüssel herausziehen.
    »He, Bürschchen«, sagt Kennet.
    Der Junge reagiert nicht, und Kennet geht zu ihm, packt ihn an der Jacke und dreht ihn um.
    »Lass mich los, Opa«, sagt der Junge und sieht ihm in die Augen.
    »Weißt du nicht, dass es verboten ist, anderen Leuten Geld abzunehmen?«
    Kennet blickt in ein Paar ausweichender, erstaunlich ruhiger Augen.
    »Du heißt Johansson mit Nachnamen«, sagt Kennet, nachdem er einen Blick auf das Türschild geworfen hat.
    »Ja«, lächelt der Junge. »Und wie heißt du?«
    »Kennet Sträng, Kriminalkommissar.«
    Der Junge steht bloß da, sieht ihn an und zeigt keine Furcht.
    »Wie viel Geld hast du Nicke abgenommen?«
    »Ich nehme niemandem Geld ab, manchmal bekomme ich Geld, aber ich nehme mir nichts, alle sind zufrieden, keiner ist traurig.«
    »Ich werde mal mit deinen Eltern reden.«
    »So, so.«
    »Soll ich das tun?«
    »Bitte, tu’s nicht«, sagt der Junge scherzhaft.
    Kennet klingelt, und etwas später öffnet eine dicke, sonnengebräunte Frau die Tür.
    »Hallo«, sagt Kennet. »Ich bin Kriminalkommissar und ich fürchte, Ihr Sohn steckt in Schwierigkeiten.«
    »Mein Sohn? Ich habe gar keine Kinder«, sagt die Frau.
    Kennet sieht, dass der Junge mit gesenktem Kopf grinst.
    »Sie kennen diesen Jungen nicht?«
    »Darf ich bitte Ihre Dienstmarke sehen«, sagt die Frau.
    »Dieser Junge ist …«
    »Er hat gar keine Dienstmarke«, unterbricht ihn der Junge.
    »Doch, die habe ich«, lügt Kennet.
    »Er ist überhaupt kein Polizist«, grinst der Junge und zieht sein Portemonnaie heraus. »Hier ist mein Schülerticket, ich bin eher Polizist als …«
    Kennet reißt dem Jungen das Portemonnaie aus der Hand.
    »Gib mir das zurück.«
    »Ich will nur kurz einen Blick hineinwerfen«, entgegnet Kennet.
    »Er hat gesagt, dass er meinen kleinen Schniedel küssen will«, sagt der Junge.
    »Ich rufe jetzt die Polizei«, erklärt die Frau mit ängstlicher Stimme.
    Kennet drückt auf den Knopf zum Aufzug. Die Frau sieht sich um, läuft los und hämmert gegen die anderen Türen im Treppenhaus.
    »Er hat mir Geld gegeben«, sagt der Junge zu ihr. »Aber ich wollte nicht mit ihm gehen.«
    Die Fahrstuhltüren gleiten auf. Ein Nachbar öffnet mit vorgelegter Sicherheitskette die Tür.
    »Von jetzt an lässt du Nicke in Ruhe«, sagt Kennet leise.
    »Er gehört mir«, erwidert der Junge.
    Die Frau ruft nach der Polizei. Kennet geht in den Aufzug, drückt auf den grünen Knopf und sieht, wie sich die Türen schließen. Schweiß läuft ihm den Rücken hinunter. Der Junge muss gemerkt haben, dass Kennet ihm gefolgt ist, er hat ihn zu einer wildfremden Tür gelockt. Der Aufzug bewegt sich langsam

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