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Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören

Titel: Der Hypnotiseur - Kepler, L: Hypnotiseur - Hypnotisören Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Kepler
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Mundwinkeln hängt weißer Speichel.
    »Ich darf nicht«, sagt er langsam und abwartend.
    »Ich heiße Kennet und bin Polizist. Genau genommen bin ich mittlerweile ein bisschen alt geworden und Rentner, aber das macht eigentlich keinen Unterschied, ich bin immer noch Polizist.«
    Der Junge lächelt fragend.
    »Hast du auch eine Pistole?«
    Kennet schüttelt den Kopf.
    »Nein«, lügt er. »Und ich habe auch keinen Streifenwagen.«
    Der Junge wird ernst.
    »Haben sie ihn dir abgenommen, als du alt geworden bist?«
    Kennet nickt.
    »Ja, genau.«
    »Bist du hier, um die Diebe zu fangen?«, fragt Nicke.
    »Welche Diebe?«
    Nicke zieht an seinem Reißverschluss.
    »Manchmal nehmen sie mir Sachen ab«, sagt er und tritt in die Erde.
    »Wer tut das?«
    Nicke sieht ihn ungeduldig an.
    »Na, die Diebe.«
    »Ja, natürlich.«
    »Meine Mütze, meine Uhr und einen schönen Stein mit einem glitzernden Rand.«
    »Hast du vor jemandem Angst?«
    Nicke schüttelt den Kopf.
    »Dann sind hier alle nett zu dir?«, fragt Kennet zögernd.
    Der Junge schnaubt vor sich hin und schaut Aida hinterher.
    »Meine Schwester sucht nach dem schlimmsten Monster.«
    Kennet nickt zum Kiosk an der U-Bahn-Station hinüber.
    »Möchtest du eine Limonade?«
    Der Junge begleitet ihn und erzählt:
    »Samstags arbeite ich in der Bücherei. Ich hänge für die Leute Kleider an die Garderobe, und sie bekommen dann Zettel mit einer Nummer, tausend verschiedene Nummern.«
    »Das machst du bestimmt ganz toll«, sagt Kennet und bestellt zwei Flaschen Coca-Cola.
    Nicke sieht ihn zufrieden an und bittet um einen zweiten Strohhalm. Dann trinkt er, rülpst, trinkt und rülpst wieder.
    »Was hast du vorhin damit gemeint, was du über deine Schwester gesagt hast?«, fragt Kennet leichthin.
    Nicke runzelt die Stirn.
    »Es geht um diesen Typen. Aidas Typen. Benjamin. Nicke hat ihn heute nicht gesehen. Aber vorher war er total wütend, total wütend. Aida hat geweint.«
    »Benjamin war wütend?«
    Nicke sieht Kennet erstaunt an.
    »Benjamin ist nicht wütend, er ist lieb. Aida freut sich und lacht.«
    Kennet sieht den groß gewachsenen Jungen an.
    »Und wer war wütend, Nicke? Wer war dann wütend?«
    Nicke wirkt auf einmal besorgt. Er sieht die Flasche an und sucht nach etwas.
    »Ich darf nichts annehmen …«
    »Diesmal geht das in Ordnung, versprochen«, sagt Kennet. »Wer war denn nun wütend?«
    Nicke kratzt sich am Hals und wischt sich den Schaum aus den Mundwinkeln.
    »Wailord – er hat so ein großes Maul.«
    Nicke zeigt es Kennet mit den Armen.
    »Wailord?«
    »Er ist böse.«
    »Wo wollte Aida hin, Nicke?«
    Die Wangen des Jungen zittern, als er sagt:
    »Sie kann Benjamin nicht finden, das ist nicht gut.«
    »Aber wohin wollte sie jetzt?«
    Nicke scheint den Tränen nahe zu sein, als er den Kopf schüttelt.
    »Oh weh, oh weh, oh weh, man darf nicht mit fremden Onkeln reden …«
    »Sieh mal Nicke, ich bin kein gewöhnlicher Onkel«, erwidert Kennet, zieht sein Portemonnaie aus der Tasche und sucht ein Foto von sich selbst in Polizeiuniform heraus.
    Nicke mustert das Bild eingehend. Dann sagt er ernst:
    »Aida geht jetzt zu Wailord. Sie hat Angst, dass er Benjamin gebissen hat. Wailord reißt das Maul so weit auf.«
    Nicke demonstriert es aufs Neue mit seinen Armen, und Kennet versucht mit ganz ruhiger Stimme zu sprechen, als er sagt:
    »Weißt du, wo Wailord wohnt?«
    »Ich darf nicht zum Meer gehen, nicht einmal in die Nähe.«
    »Wie kommt man denn zum Meer?«
    »Mit dem Bus.«
    Nicke tastet nach etwas in seiner Tasche und flüstert vor sich hin.
    »Wailord hat einmal mit mir gespielt, als ich bezahlen sollte«, sagt er und versucht zu lächeln. »Er hat nur Spaß gemacht. Er hat mich überredet, etwas zu essen, was man nicht essen soll.«
    Kennet wartet. Nicke wird rot und nestelt an seinem Reißverschluss herum. Er hat Trauerränder unter den Fingernägeln.
    »Was hast du gegessen?«, fragt Kennet.
    Die Wangen des Jungen zittern wieder heftig.
    »Ich wollte das nicht«, antwortet er, und Tränen kullern seine vollen Wangen hinab.
    Kennet klopft Nicke auf die Schulter und versucht, seine Stimme ruhig und fest klingen zu lassen, als er sagt:
    »Das klingt, als wäre Wailord richtig gemein.«
    »Ja, gemein.«
    Kennet bemerkt, dass Nicke etwas in der Tasche hat, woran er dauernd herumfingert.
    »Ich bin Polizist, das weißt du, und ich sage, dass keiner gemein zu dir sein darf.«
    »Du bist zu alt.«
    »Aber ich bin stark.«
    Nicke wirkt sofort

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