Der Idiot
fallen
und mich vor seinen Füßen so lange umherwälzen, bis er sie mir gibt;
ohne die Blumen weiche ich nicht vom Platz!‹ – ›Wann fährst du denn?‹ –
›Morgen ganz früh, um fünf Uhr.‹ – ›Na, viel Glück!‹ Ich freute mich
sehr für ihn, wissen Sie; ich kehrte zu Ordynzew zurück; es war schon
zwei Uhr; aber die Geschichte ging mir gar nicht aus dem Kopf, wissen
Sie. Ich wollte mich schon schlafen legen, da kommt mir plötzlich ein
ganz origineller Gedanke! Ich schleiche mich unverzüglich in die Küche
und wecke den Kutscher Saweli: ›Fünfzehn Rubel, wenn du in einer halben
Stunde angespannt hast!‹ In einer halben Stunde steht natürlich der
Schlitten vor der Tür; Anfisa Alexejewna hatte, wie mir gesagt wurde,
Migräne, fieberte und phantasierte. Ich stieg ein und fuhr los. Um fünf
Uhr war ich in Jekschaisk in einer Herberge; ich wartete, bis es hell
wurde, und begab mich dann sofort um sieben Uhr zu Trepalow. ›Soundso,
hast du Kamelien? Väterchen, teuerster Wohltäter, hilf mir, rette mich,
ich verbeuge mich vor dir bis zum Erdboden!‹ Es war, wie ich sah, ein
hochgewachsener, grauhaariger, finsterer alter Mann; ein furchtbar
strenges Gesicht machte er. ›Nein, nein, unter keinen Umständen; das tu
ich nicht!‹ Ich warf mich ihm, batz! zu Füßen! Lang auf dem Boden
streckte ich mich aus! ›Was tun Sie, mein Verehrter; was tun Sie da?‹
rief er erschrocken. – ›Es handelt sich hier um ein Menschenleben!‹
schrie ich. – ›Wenn's so ist, dann nehmen Sie sie; in Gottes Namen!‹ Da
schnitt ich mir einmal rote Kamelien ab! Wundervolle, entzückende
Blumen; er hatte ein ganzes kleines Treibhaus voll. Der Alte seufzte
schwer dabei. Ich nehme hundert Rubel heraus. ›Nein, bester Herr, Sie
werden mich doch nicht so kränken wollen.‹ – ›Nun, wenn's so steht,
Verehrtester, so nehmen Sie diese hundert Rubel für das hiesige
Krankenhaus zur Verbesserung der Unterkunft und Verpflegung!‹ – ›Das
ist etwas anderes, lieber Herr!‹ sagte er; ›das ist ein gutes, edles,
Gott wohlgefälliges Werk; ich werde das Geld in Ihrem Namen abliefern.‹
Wissen Sie, er gefiel mir wirklich, dieser alte Russe, sozusagen ein
Stockrusse, de la vraie souche. Ganz entzückt, daß es mir so gut
gelungen war, machte ich mich sogleich auf den Heimweg; wir fuhren im
Bogen zurück, um Petja nicht zu begegnen. Als ich ankam, gab ich die
Blumen ab, damit sie der Hausfrau gleich bei ihrem Erwachen überreicht
würden. Sie können sich ihr Entzücken, ihre Dankbarkeit, ihre Tränen
der Dankbarkeit vorstellen! Platon, der tags zuvor noch tiefunglücklich
und halbtot gewesen war, Platon schluchzte nun an meiner Brust. So geht
es ja leider allen Ehemännern seit der Erschaffung der Welt ... oder
seit der Einrichtung der legitimen Ehe! Ich habe nichts weiter
hinzuzufügen, als daß die Aussichten des armen Petja durch diesen
Vorfall völlig zerstört waren. Ich dachte anfangs, er würde mich
umbringen, sowie er den Hergang erführe, und traf für die Begegnung mit
ihm schon alle Vorbereitungen; aber die Sache entwickelte sich in einer
Weise, die ich nicht erwartet hatte: er fiel in Ohnmacht, phantasierte
am Abend und bekam am andern Morgen ein hitziges Fieber, in dem er wie
ein kleines Kind unter Krämpfen schluchzte. Als er einen Monat darauf
wiederhergestellt war, ließ er sich nach dem Kaukasus versetzen; es
wurde ein richtiger Roman! Schließlich fiel er in der Krim. Damals war
noch sein Bruder Stepan Worchowskoi der Kommandeur des Regiments und
zeichnete sich als solcher aus. Ich muß gestehen, ich habe noch viele
Jahre nachher Gewissensbisse verspürt: warum, zu welchem Zweck habe ich
so schlecht an ihm gehandelt? Wenn ich noch selbst damals verliebt
gewesen wäre! Aber so war es einfach ein dummer Streich, um einer Dame
ein bißchen die Cour zu machen, weiter nichts. Und hätte ich ihm dieses
Bukett nicht weggefischt, wer weiß, der Mensch lebte vielleicht heute
noch und wäre glücklich und hätte es zu etwas gebracht, und wäre nie
auf den Gedanken gekommen, gegen die Türken zu ziehen.«
Afanasi Iwanowitsch hörte jetzt mit derselben ruhigen Würde auf zu
sprechen, mit der er seine Erzählung begonnen hatte. Man bemerkte, daß,
als Afanasi Iwanowitsch schwieg, Nastasja Filippownas Augen in einer
ganz besonderen Weise zu funkeln und sogar ihre Lippen zu zittern
anfingen. Alle blickten gespannt diese beiden an.
»Sie haben Ferdyschtschenko geprellt! Nein, wie haben Sie mich
geprellt! Das ist zu
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