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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Spitzenbesatz an ihrem Ärmel und zupfte daran mit zwei
Fingern der linken Hand, so daß sie den Erzähler auch nicht einen
Augenblick anblickte.
    »Was mir meine Aufgabe am meisten erleichtert«, begann Afanasi
Iwanowitsch, »das ist die unbedingte Verpflichtung, nichts anderes zu
erzählen als die schlechteste Handlung meines ganzen Lebens. In einem
solchen Fall ist selbstverständlich kein Schwanken möglich: das
Gewissen und das Gedächtnis geben einem ohne weiteres ein, was man zu
erzählen hat. Ich bekenne mit tiefem Schmerz, daß unter all den
vielleicht zahllosen leichtfertigen und unbedachten Handlungen meines
Lebens eine ist, die in meinem Gedächtnis einen außerordentlich
peinlichen Eindruck hinterlassen hat. Die Sache begab sich vor ungefähr
zwanzig Jahren; ich befand mich damals auf dem Land zu Besuch bei
Platon Ordynzew. Er war soeben zum Adelsmarschall gewählt worden und
mit seiner jungen Frau auf sein Gut gefahren, um dort die
Winterfeiertage zu verleben. In dieselbe Zeit fiel auch gerade Anfisa
Alexejewnas Geburtstag, und so sollten denn zwei Bälle gegeben werden.
Damals war der entzückende Roman des jüngeren Dumas ›La dame aux
camélias‹ außerordentlich in Mode und hatte eben angefangen, in der
vornehmen Welt Aufsehen zu erregen, ein Geisteswerk, das meines
Erachtens weder dazu bestimmt ist, jemals zu vergehen, noch auch zu
altern. In der Provinz waren alle Damen davon enthusiasmiert,
wenigstens diejenigen, die das Buch gelesen hatten. Der Reiz der
Erzählung, die eigenartige Stellung der Hauptperson, diese verlockende
Welt, die aufs feinste analysiert wird, und endlich all diese
bezaubernden Details, die durch das ganze Buch verstreut sind (zum
Beispiel die Bemerkung darüber, unter welchen Umständen man Bukette aus
weißen und roten Kamelien abwechselnd verwendet), mit einem Wort, all
diese entzückenden Einzelheiten und das prächtige Ensemble machten eine
ganz gewaltige Sensation. Kamelien wurden große Mode. Jedermann wollte
Kamelien haben, jedermann suchte welche zu bekommen. Nun frage ich Sie:
war es wohl möglich, viele Kamelien in einer Kreisstadt aufzutreiben,
wenn alle Leute welche für die Bälle beschaffen wollten, auch wenn die
Bälle nicht sehr zahlreich waren? Petja Worchowskoi, der arme Kerl, war
damals in heißer Liebe zu Anfisa Alexejewna entbrannt. Ich weiß
wirklich nicht, ob zwischen den beiden irgendein Verhältnis bestand,
ich meine, ob er irgendeine ernstliche Hoffnung hegen durfte. Der arme
Mensch war fast verrückt geworden in dem Bemühen, zum Ballabend für
Anfisa Alexejewna Kamelien zu beschaffen. Die Gräfin Sozkaja aus
Petersburg, die bei der Frau des Gouverneurs zu Besuch war, und Sofja
Bespalowa wollten, wie bekannt geworden war, mit Buketten aus weißen
Kamelien kommen. Anfisa Alexejewna wünschte sich, um damit einen
besonderen Effekt hervorzubringen, rote. Der arme Platon wurde beinah
zu Tode gehetzt, wie das den Ehemännern bekanntlich so geht; er hatte
ihr hoch und heilig geschworen, ihr ein Bukett zu verschaffen; aber was
geschah? Am Tage vor dem Ball schnappte Frau Katerina Alexandrowna
Mytischtschewa, die in allen Dingen Anfisa Alexejewnas furchtbare
Rivalin war und mit ihr auf höchst gespanntem Fuß lebte, ihr die Blumen
weg. Natürlich folgte nun ein Weinkrampf, eine Ohnmacht. Platon war
ganz zu Boden geschmettert. Man begreift: wenn Petja es auf irgendeine
Weise fertig bekommen hätte, in diesem kritischen Augenblick ein Bukett
zu beschaffen, so wären seine Wünsche dadurch natürlich sehr wesentlich
gefördert worden; denn die Dankbarkeit einer Frau kennt in solchen
Fällen keine Grenzen. Er läuft umher wie ein Besessener; aber es war
eben ein Ding der Unmöglichkeit; absolut nichts zu machen! Auf einmal
treffe ich ihn am Tag vor dem Geburtstag und Ball (es war schon elf Uhr
abends) bei Marja Petrowna Subkowa, einer Gutsnachbarin Ordynzews. Er
strahlt. ›Was ist dir?‹ – ›Ich habe welche gefunden! Heureka!‹ – ›Na
Bruder, das setzt mich in Erstaunen! Wo denn? Wie denn?‹ – ›In
Jekschaisk‹ (das war ein kleines Städtchen, zwanzig Werst entfernt; es
lag nicht in unserm Kreis), ›da ist so ein großbärtiger, reicher
Kaufmann namens Trepalow; der wohnt da mit seiner alten Frau, und statt
der Kinder haben sie lauter Kanarienvögel. Die beiden sind große Blumenfreunde; der hat
Kamelien.‹ – ›Aber ich bitte dich, das ist doch eine sehr unsichere
Sache; wenn er sie nun nicht hergibt?‹ – ›Ich werde auf die Knie

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