Der Idiot
etwas, wovon alles
üble Gerede über ihn sehr bald ermattete und demnächst ganz aufhörte:
er wurde sehr krank und konnte nirgends in der Gesellschaft erscheinen,
ja nicht einmal im Dienst. Nachdem er einen Monat lang schwer leidend
gewesen war, genas er wieder, gab aber seine Tätigkeit bei der
Aktiengesellschaft aus nicht näher bekanntem Grund gänzlich auf, und
ein anderer erhielt seine Stelle. Im Haus des Generals Jepantschin ließ
er sich gleichfalls kein einziges Mal mehr blicken, so daß auch zum
General ein anderer Beamter kommen mußte. Gawrila Ardalionowitschs
Feinde hätten annehmen können, er schäme sich über alles, was mit ihm
vorgegangen war, so sehr, daß er sich nicht auf der Straße zeigen
möchte; aber er kränkelte tatsächlich immer noch: er verfiel sogar in
Hypochondrie und wurde melancholisch und nervös. Warwara Ardalionowna
verheiratete sich in diesem selben Winter mit Ptizyn; alle Bekannten
der beiden führten diese Eheschließung geradezu auf den Umstand zurück,
daß Ganja nicht zu seiner Tätigkeit zurückkehren mochte und nicht nur
aufgehört hatte, die Familie zu unterhalten, sondern sogar selbst der
Hilfe, ja beinah der Wartung bedürftig geworden war.
Wir bemerken in Parenthese, daß auch von Gawrila Ardalionowitsch im
Jepantschinschen Haus nie mehr gesprochen wurde, als ob ein solcher
Mensch nie im Haus verkehrt hätte, ja überhaupt nie auf der Welt
gewesen wäre. Dabei hatten aber alle über ihn (und zwar sogar sehr
bald) einen sehr merkwürdigen Fakt erfahren, nämlich folgendes: in eben
jener für ihn so verhängnisvollen Nacht habe Ganja, als er nach dem
unangenehmen Vorfall bei Nastasja Filippowna nach Hause zurückgekehrt
sei, sich nicht schlafen gelegt, sondern mit fieberhafter Ungeduld auf
die Rückkehr des Fürsten gewartet. Der Fürst, der nach Jekateringof
gefahren sei, sei von dort um sechs Uhr morgens zurückgekehrt. Da sei
Ganja zu ihm ins Zimmer gegangen und habe das angebrannte Geldpäckchen,
das ihm Nastasja Filippowna während seiner Ohnmacht geschenkt hatte,
vor ihm auf den Tisch gelegt. Er habe den Fürsten dringend gebeten,
sobald sich eine Möglichkeit dazu böte, dieses Geschenk Nastasja
Filippowna zurückzugeben. Als Ganja zum Fürsten hereingekommen sei,
habe er sich in einer feindlichen und beinah verzweifelten Stimmung
befunden; aber nachdem dann zwischen ihm und dem Fürsten einige Worte
gewechselt worden seien, habe Ganja beim Fürsten zwei Stunden lang
gesessen und die ganze Zeit über bitterlich geschluchzt. Beide seien in
aller Freundschaft voneinander geschieden.
Diese Nachricht, die allen Mitgliedern der Familie Jepantschin zu
Ohren gekommen war, stellte sich, wie durch die Folgezeit bestätigt
wurde, als völlig richtig heraus. Es war allerdings merkwürdig, daß
derartige Nachrichten sich so schnell verbreiten und bekannt werden
konnten; so wurde zum Beispiel alles, was in Nastasja Filippownas
Wohnung vorgegangen war, in der Jepantschinschen Familie beinah noch am
andern Tag bekannt, und zwar in ziemlich genauen Details. Hinsichtlich
der Nachrichten über Gawrila Ardalionowitsch hätte man allerdings
annehmen können, daß sie den Jepantschins von Warwara Ardalionowna
zugetragen worden seien, die auf einmal bei den Fräulein Jepantschin
aufgetaucht und sogar sehr bald mit ihnen auf recht vertrauten Fuß
gelangt war, worüber sich Lisaweta Prokofjewna höchlichst wunderte.
Aber obgleich Warwara Ardalionowna es aus irgendeinem Grund für nötig
hielt, mit den Fräulein Jepantschin in so nahe Beziehungen zu treten,
so würde sie doch über ihren Bruder mit ihnen aller Wahrscheinlichkeit
nach nicht gesprochen haben. Sie besaß ebenfalls in ihrer Art einen
ziemlichen Stolz, obwohl sie an einer Stelle Freundschaft schloß, von
wo ihr Bruder beinah weggejagt worden war. Auch früher schon war sie
mit den Fräulein Jepantschin bekannt gewesen; aber sie hatten einander
nur selten gesehen. Im Salon zeigte sie sich übrigens auch jetzt kaum
je, sondern benutzte, als wenn sie nur auf einen Augenblick vorsprechen
wollte, die Hintertreppe. Lisaweta Prokofjewna war ihr weder früher
zugetan gewesen, noch war sie es jetzt, obwohl sie Nina Alexandrowna,
Warwara Ardalionownas Mutter, sehr hochschätzte. Sie wunderte sich und
ärgerte sich zugleich und schrieb die Freundschaft mit Warja den Launen
und der Herrschsucht ihrer Töchter zu, die gar nicht genug auszudenken
wüßten, was sie ihr zum Tort tun könnten; aber Warwara Ardalionowna
setzte doch sowohl
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