Der Idiot
welche vollständig
davon überzeugt waren, daß man sie lediglich deswegen nicht ins Ausland
bringen wolle, weil ihre Eltern unaufhörlich mit der Sorge, sie zu
verheiraten und Freier für sie zu suchen, beschäftigt seien. Vielleicht
waren auch die Eltern schließlich zu der Überzeugung gelangt, daß
Bewerber auch im Ausland zu finden seien, und daß eine Reise, die nur
einen Sommer dauere, nichts verderbe, sondern am Ende sogar noch
förderlich sein könne. An dieser Stelle scheint es angemessen, zu
erwähnen, daß man von der früher in Aussicht genommenen Eheschließung
zwischen Afanasi Iwanowitsch Tozki und dem ältesten Fräulein
Jepantschina vollständig abgekommen war und ein formeller Antrag von
seiner Seite nicht erfolgte. Das hatte sich ganz von selbst so gemacht
ohne vieles Reden und ohne allen Kampf in der Familie. Seit der Abreise
des Fürsten war von beiden Seiten alles auf einmal darüber still
geworden. Auch dieser Umstand trug mit zu der gedrückten Stimmung bei,
die damals in der Familie Jepantschin herrschte, obwohl die Generalin
sich dahin äußerte, sie sei jetzt so froh, daß sie sich mit beiden
Händen bekreuzen möchte. Obgleich der General in Ungnade war und
fühlte, daß er das selbst verschuldet hatte, schmollte er doch längere
Zeit; es tat ihm leid, daß Afanasi Iwanowitsch nicht sein Schwiegersohn
wurde: »Ein solches Vermögen und ein so gewandter Mensch!« Nicht lange
darauf erfuhr der General, daß Afanasi Iwanowitsch sich von einer
zugereisten Französin hatte fesseln lassen, die zur höheren
Gesellschaft gehöre und Marquise und Legitimistin sei, daß die
Eheschließung bevorstehe, und daß sie ihren Gemahl dann nach Paris und
später irgendwohin in die Bretagne entführen werde.
»Na, mit der Französin wird er zugrunde gehen«, dies war die Ansicht des Generals darüber.
Also die Jepantschins machten sich bereit, zu Beginn des Sommers
wegzureisen. Da trat plötzlich ein Ereignis ein, das von neuem alle
Pläne umstieß, und die Reise wurde zur größten Freude des Generals und
der Generalin wieder aufgeschoben. Es kam ein Fürst aus Moskau nach
Petersburg, ein Fürst Schtsch., übrigens eine sehr bekannte
Persönlichkeit, und zwar bekannt von der allerbesten Seite. Er war
einer jener ehrenhaften, bescheidenen, tatfreudigen Männer, wie sie in
der letzten Zeit häufiger geworden waren, jener Männer, die aufrichtig
und bewußt das Nützliche erstreben, immer arbeiten und sich durch die
seltene, glückliche Gabe auszeichnen, immer Arbeit für sich zu finden.
Ohne sich vorzudrängen, ohne sich an dem erbitterten Gezänk und an dem
müßigen Gerede der Parteien zu beteiligen, und ohne sich zu den Ersten
zu rechnen, besaß der Fürst doch ein recht gründliches Verständnis für
einen guten Teil der Entwicklung, die die letzte Zeit gebracht hatte.
Er hatte früher ein Amt bekleidet und dann bei der ländlichen
Selbstverwaltung mitgewirkt. Außerdem war er ein nützliches
korrespondierendes Mitglied mehrerer gelehrter russischer
Gesellschaften. Im Verein mit einem bekannten Techniker hatte er durch
das von ihm gesammelte statistische Material und die von ihm
angestellten Untersuchungen bewirkt, daß eine der wichtigsten
projektierten Eisenbahnen eine zweckmäßigere Richtung erhielt. Er war
etwa fünfunddreißig Jahre alt, gehörte zur »allervornehmsten
Gesellschaft« und besaß außerdem ein »schönes, solides, sicheres«
Vermögen, wie sich der General ausdrückte, der anläßlich einer sehr
wichtigen geschäftlichen Angelegenheit mit dem Fürsten bei seinem Chef,
dem Grafen, zusammengetroffen war und seine Bekanntschaft gemacht
hatte. Der Fürst benutzte infolge einer gewissen besonderen Neugierde
gern jede Gelegenheit, mit russischen Geschäftsleuten bekannt zu
werden. Es machte sich so, daß der Fürst auch mit der Familie des
Generals bekannt wurde. Adelaida Iwanowna, die mittlere der drei
Schwestern, machte auf ihn einen recht starken Eindruck. Zu Beginn des
Frühlings machte er ihr einen Antrag. Der Freier gefiel sowohl ihr als
auch ihrer Mutter recht gut. Auch der General war sehr erfreut.
Selbstverständlich wurde die Reise verschoben. Die Hochzeit wurde für
den Frühling in Aussicht genommen.
Die Reise hätte übrigens auch noch in der Mitte oder gegen Ende des
Sommers stattfinden können, wenn auch nur in der Form eines ein- oder
zweimonatigen Ausfluges der Mutter und der beiden bei ihr verbliebenen
Töchter, um den Schmerz über Adelaidas Ausscheiden aus der Familie
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