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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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vor als nach ihrer Verheiratung ihre Besuche bei
ihnen fort.
    Aber es war nach der Abreise des Fürsten ungefähr ein Monat
verflossen, da erhielt die Generalin Jepantschina einen Brief von der
alten Fürstin Bjelokonskaja, die vierzehn Tage vorher nach Moskau zu
ihrer ältesten dort verheirateten Tochter gefahren war, und dieser
Brief brachte bei ihr eine sichtbare Wirkung hervor. Obwohl sie weder
ihren Töchtern noch ihrem Mann Iwan Fjodorowitsch etwas daraus
mitteilte, merkten ihre Angehörigen doch an vielen Anzeichen, daß sie
besonders animiert, ja aufgeregt war. Sie fing an, mit den Töchtern in
einer ganz merkwürdigen Weise zu reden, immer über ganz ungewöhnliche
Gegenstände; sie hatte offenbar die größte Lust, sich auszusprechen,
bezwang sich aber aus irgeneinem Grund. An dem Tag, an dem sie den
Brief erhalten hatte, war sie gegen alle sehr zärtlich und küßte sogar
Aglaja und Adelaida; es machte den Eindruck, als täte sie vor ihnen
wegen irgend etwas Buße; aber weswegen eigentlich, darüber konnten
diese nicht ins klare kommen. Sogar gegen Iwan Fjodorowitsch, der bei
ihr einen ganzen Monat lang in Ungnade gewesen war, wurde sie auf
einmal freundlich. Natürlich ärgerte sie sich gleich am folgenden Tag
furchtbar über ihre gestrige Sentimentalität und fand noch vor dem
Mittagessen Zeit, sich mit allen zu zanken; aber gegen Abend hellte
sich der Horizont wieder auf. Überhaupt befand sie sich die ganze
folgende Woche über in recht guter Laune, was bei ihr schon lange nicht
dagewesen war.
    Aber nach einer weiteren Woche traf von der Fürstin Bjelokonskaja
ein zweiter Brief ein, und diesmal entschloß sich die Generalin dazu,
sich auszusprechen. Sie erklärte mit feierlicher, triumphierender
Miene, die alte Bjelokonskaja (anders bezeichnete sie die Fürstin
niemals, wenn sie in Abwesenheit derselben von ihr sprach) habe ihr
sehr tröstliche Nachrichten über diesen ... »über diesen Sonderling, na
ja, über den Fürsten« zugehen lassen. Die Alte habe in Moskau
Nachforschungen nach ihm angestellt, Erkundigungen über ihn eingezogen
und sehr Gutes über ihn in Erfahrung gebracht; der Fürst habe sich
schließlich auch bei ihr selbst präsentiert und auf sie einen sehr
günstigen Eindruck gemacht. Das war auch daraus zu ersehen, daß sie ihn
eingeladen hatte, sie täglich mittags zwischen ein und zwei Uhr zu
besuchen; »und er kommt nun alle Tage zu ihr angelaufen, und sie ist
seiner noch nicht überdrüssig geworden«, schloß die Generalin und fügte
dann noch hinzu, durch Vermittlung »der Alten« habe der Fürst zu
mehreren guten Familien Zutritt erhalten. »Das ist gut, daß er nicht
immer zu Hause hockt und sich wie ein Dummrian geniert.« Die jungen
Mädchen, denen dies alles mitgeteilt wurde, merkten sofort, daß die
Mama ihnen sehr vieles aus ihrem Brief vorenthielt. Vielleicht erfuhren
sie das Fehlende durch Warwara Ardalionowna, die natürlich alles, was
ihrem Mann über den Fürsten und dessen Aufenthalt in Moskau bekannt
war, auch ihrerseits wissen konnte und wirklich wußte. Und Ptizyn
konnte darüber mehr wissen als alle andern. Aber er war in
geschäftlichen Dingen außerordentlich schweigsam, wiewohl er seiner
Frau selbstverständlich nichts vorenthielt. Die Abneigung der Generalin
gegen Warwara Ardalionowna stieg dadurch noch mehr.
    Aber wie dem auch sein mochte, das Eis war einmal gebrochen, und es
durfte nun wieder über den Fürsten laut gesprochen werden. Der
ungewöhnliche Eindruck, den der Fürst im Jepantschinschen Haus gemacht,
und das lebhafte Interesse, das er dort erregt und hinterlassen hatte,
traten von neuem klar zutage. Die Generalin wunderte sich sogar über
die starke Wirkung, die die Nachrichten aus Moskau auf ihre Töchter
ausübten. Und die Töchter ihrerseits waren erstaunt über die Mama, die
ihnen so feierlich erklärt hatte, das wichtigste Charakteristikum ihres
Lebens bestehe darin, daß sie sich fortwährend in den Menschen täusche,
und gleichzeitig den Fürsten der Aufmerksamkeit der »hochvermögenden«
alten Fürstin Bjelokonskaja in Moskau empfohlen hatte, wozu doch ein
gewaltiger Aufwand von Bitten und Beschwörungen nötig war; denn »die
Alte« war in gewissen Fällen nur schwer in Bewegung zu setzen.
    Sowie aber einmal das Eis gebrochen war und ein neuer Wind wehte,
beeilte sich auch der General auszusprechen, was er wußte; denn man
merkte leicht, daß auch er sich für den Fürsten lebhaft interessierte.
Er machte den Seinigen übrigens nur

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