Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Vom Netzwerk:
stehen.
    »Darja Alexejewna hat ebenfalls ein Landhaus in Pawlowsk.«
    »Nun, und?«
    »Ein gewisse Dame ist mit ihr befreundet und beabsichtigt
anscheinend, sie häufig in Pawlowsk zu besuchen. Sie hat dabei eine
bestimmte Absicht.«
    »Nun?«
    »Aglaja Iwanowna ...«
    »Ach, hören Sie auf, Lebedjew!« unterbrach ihn der Fürst, als sei
bei ihm ein wunder Punkt berührt. »Das verhält sich alles anders. Sagen
Sie mir lieber, wann Sie umziehen! Mir ist es je eher um so lieber, da
ich im Gasthaus ...«
    Während dieses Gesprächs hatten sie den Garten verlassen, waren,
ohne nochmals in das Haus zu gehen, über den Hof gegangen und näherten
sich nun dem Torpförtchen.
    »Das beste wäre«, meinte Lebedjew schließlich, »wenn Sie gleich
heute vom Gasthaus zu mir zögen; übermorgen ziehen wir dann alle
zusammen nach Pawlowsk.«
    »Ich werde es mir überlegen«, erwiderte der Fürst nachdenklich und ging aus dem Tor.
    Lebedjew sah ihm nach. Die plötzliche Zerstreutheit des Fürsten
überraschte ihn. Dieser hatte sogar vergessen, beim Weggehen Adieu zu
sagen, und nicht einmal mit dem Kopf genickt, was zu der Höflichkeit
und Aufmerksamkeit des Fürsten, die Lebedjew recht wohl kannte, wenig
stimmte.
Fußnoten
    1 Stadtteil im Osten von Petersburg; die Roschdestwenskaja erscheint hier als ein Teil desselben. (A.d.Ü.)
    2 Ein Hasardspiel mit Karten (A.d.Ü.)
    3 Säuerliches Getränk aus Roggenmehl und Malz. (A.d.Ü.)
    4 Ein Stadtteil von Petersburg. (A.d.Ü.)

III
    Es ging schon auf zwölf. Der Fürst wußte, daß er bei Jepantschins in
ihrer Stadtwohnung jetzt nur den dienstlich beschäftigten General
treffen konnte, und auch den kaum. Er sagte sich, daß der General ihn
womöglich sogleich mit Beschlag belegen und mit nach Pawlowsk
hinausnehmen würde, und es lag ihm doch sehr daran, vorher noch einen
Besuch zu machen. Auf die Gefahr hin, daß es ihm für Jepantschins zu
spät werden und er genötigt sein würde, seine Fahrt nach Pawlowsk bis
zum nächsten Tag aufzuschieben, entschloß sich der Fürst dazu, zunächst
jenes Haus aufzusuchen, wohin es ihn so sehr verlangte.
    Dieser Besuch war für ihn übrigens in gewisser Hinsicht gewagt. Er
zauderte und schwankte. Er wußte von dem Haus, daß es in der
Gorochowaja-Straße lag, nicht weit von der Sadowaja-Straße, und
entschied sich dafür, hinzugehen, in der Hoffnung, es werde ihm noch
gelingen, ehe er hinkomme, einen endgültigen Beschluß zu fassen. Als er
an die Kreuzung der Gorochowaja- und Sadowaja-Straße kam, wunderte er
sich selbst über seine ungewöhnliche Aufregung; er hatte nicht
erwartet, daß ihm das Herz so schmerzhaft schlagen würde. Ein Haus zog,
wahr scheinlich durch seinen besonderen Anblick, schon von weitem seine
Aufmerksamkeit auf sich, und der Fürst erinnerte sich später, daß er zu
sich gesagt hatte: »Es wird gewiß dieses Haus sein!« Mit
außerordentlicher Neugier ging er näher heran, um seine Mutmaßung auf
ihre Richtigkeit zu prüfen; er fühlte, daß es ihm aus irgendeinem Grund
besonders unangenehm sein würde, wenn er es sollte erraten haben. Es
war dies ein großes, finsteres, dreistöckiges Haus, ohne allen
architektonischen Schmuck, von schmutziggrüner Farbe. Einige,
allerdings nur sehr spärliche derartige Häuser, die gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts gebaut sind, haben sich namentlich in diesen
Straßen Petersburgs (obwohl sich doch in dieser Stadt so vieles ändert)
fast unversehrt erhalten. Sie sind solide gebaut, mit dicken Mauern und
sehr wenigen Fenstern; im Erdgeschoß sind die Fenster manchmal
vergittert. Meist befindet sich unten ein Wechselgeschäft. Der Skopze 1 ,
der in dem Wechselgeschäft sitzt, wohnt oben. Ein solches Haus macht
von außen und von innen einen ungastlichen, unfreundlichen Eindruck; es
sucht sich gleichsam zu verstecken und zu verbergen; aber warum
eigentlich schon der bloße Anblick des Hauses einen solchen Eindruck
macht, das ist schwer zu sagen. Die architektonischen Linien müssen
wohl auf geheimnisvolle Weise diese Wirkung ausüben. In diesen Häusern
wohnen fast aus schließlich Kaufleute. Der Fürst näherte sich dem Tor,
sah nach dem Türschild und las: »Haus des erblichen Ehrenbürgers
Rogoschin.«
    Seinem Zaudern ein Ende machend, öffnete er die Glastür, die hinter
ihm geräuschvoll wieder zuschlug, und begann die Haupttreppe zum
zweiten Stock hinaufzusteigen. Die Treppe war dunkel, kunstlos aus
Steinstufen gebaut, die Wände mit roter Farbe angestrichen. Er wußte,
daß Rogoschin

Weitere Kostenlose Bücher