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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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der
Fürst am Tag des Umzugs nach Pawlowsk, das heißt am dritten Tag nach
dem Anfall, äußerlich bereits wieder fast wie ein gesunder Mensch aus,
wiewohl er sich innerlich immer noch nicht genesen fühlte. Er freute
sich über einen jeden, den er in diesen drei Tagen um sich sah: über
Kolja, der fast gar nicht von ihm wegkam, über die ganze Familie
Lebedjew (ohne den Neffen, der verschwunden war, man wußte nicht
wohin), über Lebedjew selbst; sogar den General Iwolgin, der ihn noch
in der Stadt besuchte, empfing er mit Vergnügen. Am Tag des Umzugs
selbst, der erst gegen Abend sein Ende erreicht hatte, war um ihn in
der Veranda ziemlich viel Besuch versammelt; zuerst war Ganja gekommen,
den der Fürst kaum wiedererkannte, so hatte er sich in dieser ganzen
Zeit verändert, indem er namentlich viel magerer geworden war. Darauf
waren Warja und Ptizyn erschienen, die ebenfalls in Pawlowsk zur
Sommerfrische wohnten. Der General Iwolgin, der sich bei Lebedjew fast
für die Dauer einquartiert hatte, schien auch mit ihm zusammen
umgezogen zu sein. Lebedjew bemühte sich, ihm den Zutritt zu dem
Fürsten zu verwehren und ihn bei sich festzuhalten; er verkehrte mit
ihm freundschaftlich: sie waren anscheinend schon lange miteinander
bekannt. Der Fürst bemerkte, daß sie an all diesen drei Tagen manchmal
miteinander lange Gespräche führten, nicht selten schrien und stritten,
sogar, wie es schien, über wissenschaftliche Gegenstände, wohl zu
Lebedjews großem Vergnügen. Man konnte selbst meinen, daß ihm der
General für diese Disputationen unentbehrlich war. Aber Lebedjew dehnte
die Vorsichtsmaßregeln, die er mit Bezug auf den General zur Anwendung
brachte, seit der Übersiedlung nach dem Landhaus auch auf seine Familie
aus; mit der Begründung, der Fürst dürfe nicht gestört werden, ließ er
niemand zu ihm; sobald er nur im entferntesten Verdacht schöpfte, daß
seine Töchter, Wjera mit dem Kind nicht ausgenommen, nach der Veranda
gehen wollten, wo sich der Fürst befand, stürzte er sofort auf sie los,
trampelte mit den Füßen und jagte sie fort, trotz aller Bitten des
Fürsten, jedermann zu ihm zu lassen.
    »Erstens hört sonst aller Respekt auf, wenn man ihnen dergleichen
gestattet; und zweitens schickt es sich auch nicht für sie ...«,
erklärte er schließlich auf eine direkte Frage des Fürsten.
    »Aber warum denn?« erwiderte der Fürst, der ihn gern von seinem
Verfahren abbringen wollte. »Wirklich, Sie quälen mich mit all dieser
Beaufsichtigung und Behütung. Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, daß
es mir langweilig ist, allein zu sein, und Sie selbst ennuyieren mich
durch Ihr beständiges Gestikulieren und Umhergehen auf den Zehen noch
mehr.«
    Der Fürst wies damit darauf hin, daß Lebedjew, obwohl er alle seine
Angehörigen wegen der angeblichen Ruhebedürftigkeit des Kranken
wegtrieb, doch selbst während dieser ganzen drei Tage alle Augenblicke
zum Fürsten hereinkam und jedesmal zuerst die Tür öffnete, den Kopf
hereinsteckte, sich im Zimmer umsah, als ob er feststellen wollte, ob
der Fürst auch noch da sei und nicht davongelaufen wäre, und dann auf
den Zehen, langsam, mit schleichenden Schritten sich dessen Lehnstuhl
näherte, so daß er seinen Mieter manchmal unversehens erschreckte.
Fortwährend erkundigte er sich, ob der Fürst etwas brauche, und wenn
der Fürst ihm endlich bemerkte, er möge ihn in Ruhe lassen, so machte
er gehorsam, und ohne ein Wort zu erwidern, kehrt, ging wieder auf den
Zehen zur Tür zurück und gestikulierte, während er so ging, die ganze
Zeit über, wie wenn er zu verstehen geben wollte, er sei nur so ohne
besondere Absicht hereingekommen, werde kein Wort weiter reden, gehe ja
schon wieder hinaus und werde nicht mehr wiederkommen; aber
nichtsdestoweniger erschien er nach zehn Minuten oder höchstens einer
Viertelstunde von neuem. Kolja, der freien Zutritt zum Fürsten hatte,
erregte dadurch Lebedjews höchstes Mißfallen, ja dieser fühlte sich
sogar dadurch schwer gekränkt. Kolja merkte, daß Lebedjew halbe Stunden
lang an der Tür stand und horchte, was er mit dem Fürsten sprach und
teilte diese seine Beobachtung natürlich dem Fürsten mit.
    »Aber Sie halten mich ja unter Schloß und Riegel, wie wenn Sie mich
als Ihr Eigentum erworben hätten«, protestierte der Fürst. »Wenigstens
auf dem Land möchte ich es anders haben; lassen Sie es sich gesagt
sein, daß ich empfangen werde, wen ich will, und gehen werde, wohin es
mir beliebt.«
    »Ohne den

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