Der Idiot
haben, nicht den geringsten
Verdacht«, wehrte Lebedjew eilig ab. »Ich wollte Ihnen nur bemerken,
daß die betreffende Person sich nicht vor ihm, sondern vor einem ganz
andern fürchtet.«
»Aber vor wem denn? Sagen Sie es doch schnell!« rief der Fürst ungeduldig angesichts der geheimnisvollen Grimassen Lebedjews.
»Das ist eben das Geheimnis.«
Dabei lächelte Lebedjew.
»Wessen Geheimnis?«
»Das ist Ihr eigenes Geheimnis. Sie selbst haben mir verboten,
durchlauchtigster Fürst, in Ihrer Gegenwart davon zu sprechen ...«,
murmelte Lebedjew, und nachdem er sich genugsam daran geweidet hatte,
daß es ihm gelungen war, die Neugier seines Zuhörers bis zu peinlicher
Ungeduld zu steigern, schloß er plötzlich: »Sie fürchtet sich vor
Aglaja Iwanowna.«
Der Fürst machte ein finsteres Gesicht und schwieg einen Augenblick.
»Bei Gott, Lebedjew, ich werde Ihr Landhaus verlassen«, sagte er
dann auf einmal. »Wo sind Gawrila Ardalionowitsch und Ptizyns? Bei
Ihnen? Auch denen haben Sie den Zutritt zu mir verwehrt und sie in Ihre
eigenen Zimmer gelockt.«
»Sie werden kommen, sie werden kommen! Sogar der General wird mit
ihnen mitkommen. Alle Türen werde ich aufmachen, und meine Töchter
werde ich herrufen, alle, alle, sofort, sofort«, flüsterte Lebedjew
erschrocken unter lebhaften Handbewegungen und rannte dabei von einer
Tür zur andern.
In diesem Augenblick erschien Kolja, von der Straße kommend, auf der
Veranda und meldete, daß hinter ihm Besuch komme: Lisaweta Prokofjewna
mit ihren drei Töchtern.
»Soll ich Ptizyns und Gawrila Ardalionowitsch hereinlassen oder
nicht? Soll ich den General herein lassen oder nicht?« fragte Lebedjew
hastig, der durch diese Nachricht in große Erregung versetzt worden war.
»Warum denn nicht? Lassen Sie jeden ein, der zu mir will! Ich kann
Ihnen sagen, Lebedjew, daß Sie mein Verhältnis zu den Menschen gleich
von Anfang an falsch beurteilt haben; Sie sind da fortwährend in einem
Irrtum befangen. Ich habe nicht den geringsten Grund, mich vor irgend
jemand zu verstecken und zu verbergen«, bemerkte der Fürst lachend.
Als Lebedjew ihn lachen sah, hielt er es für seine Pflicht, dies
ebenfalls zu tun. Trotz seiner großen Aufregung war er offenbar sehr
zufrieden.
Die von Kolja gebrachte Nachricht erwies sich als zutreffend; er war
den Jepantschins nur ein paar Schritte vorausgelaufen, um sie
anzumelden, und die Besucher erschienen nun plötzlich von beiden
Seiten: von der Straße her Jepantschins und aus den Zimmern das
Ptizynsche Ehepaar, Ganja und General Iwolgin.
Jepantschins hatten von der Krankheit des Fürsten und von seiner
Anwesenheit in Pawlowsk erst soeben durch Kolja gehört; bis dahin hatte
sich die Generalin in verständnisloser Verwunderung befunden. Schon vor
drei Tagen hatte der General seiner Familie die Visitenkarte des
Fürsten gezeigt; diese Karte rief bei Lisaweta Prokofjewna die
bestimmte Überzeugung hervor, daß der Fürst selbst unmittelbar nach
dieser Karte nach Pawlowsk kommen werde, um ihnen einen Besuch zu
machen. Vergebens hielten ihr die Töchter entgegen, daß jemand, der ein
halbes Jahr lang nicht geschrieben habe, es auch jetzt vielleicht gar
nicht so eilig haben werde, und daß er vielleicht, auch abgesehen von
den Beziehungen zu ihrer Familie, in Petersburg viel zu tun haben möge;
woher könnten sie denn von seinen Geschäften Kenntnis haben? Die
Generalin wurde über diese Bemerkungen geradezu böse und bot eine Wette
darauf an, daß der Fürst spätestens am folgenden Tage erscheinen werde,
wiewohl auch das schon sehr spät sei. Am folgenden Tag wartete sie den
ganzen Vormittag; dann erwartete sie ihn zum Mittagessen, zum Abend,
und als es schon ganz dunkel geworden war, ärgerte sich Lisaweta
Prokofjewna über alles und jedes und zankte sich mit allen,
selbstverständlich ohne unter den Gründen des Streits den Fürsten auch
nur mit einem Wort zu erwähnen. Auch am dritten Tag wurde seiner
keinerlei Erwähnung getan. Als Aglaja sich beim Mittagessen unversehens
die Bemerkung entschlüpfen ließ, Mama sei ärgerlich, weil der Fürst
nicht komme, worauf der General sofort einschaltete, er für seine
Person könne nichts dafür, da stand Lisaweta Prokofjewna auf und ging
zornig vom Tisch. Endlich, am Abend, erschien Kolja mit einer Menge
Nachrichten und erzählte ihnen alle Erlebnisse des Fürsten, soweit sie
ihm bekannt waren. Das Resultat war, daß Lisaweta Prokofjewna
triumphierte; Kolja wurde aber gehörig ausgescholten:
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