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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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ich gelangte, mir nur ganz zufällig
gelungen sind und ebensogut hätten mißlingen können. Für Herrn
Burdowski und sogar für Tschebarow waren diese Feststellungen
tatsächlich fast unmöglich, selbst wenn es ihnen in den Sinn gekommen
wäre, solche Nachforschungen anzustellen. Aber möglicherweise ist es
ihnen gar nicht in den Sinn gekommen ...«
    »Erlauben Sie, Herr Iwolgin«, unterbrach ihn plötzlich Ippolit
gereizt, »welchen Zweck soll dieses ganze sinnlose Gerede haben
(verzeihen Sie den Ausdruck!)? Die Sache ist jetzt aufgeklärt; wir
erkennen die wichtigste Tatsache als richtig an; wozu also die
peinliche, verletzende Angelegenheit noch weiter breittreten? Sie
möchten vielleicht mit der Geschicklichkeit Ihrer Untersuchungen
prahlen, sich uns und dem Fürsten gegenüber als tüchtigen Spion und
Detektiv aufspielen? Oder beabsichtigen Sie, Herrn Burdowski durch den
Nachweis zu entschuldigen und zu rechtfertigen, daß er sich nur aus
Unwissenheit auf die Sache eingelassen hat? Aber das ist eine
Dreistigkeit, mein Herr! Burdowski bedarf dessen nicht, von Ihnen
gerechtfertigt und entschuldigt zu werden; das mögen Sie wissen! Er
fühlt sich verletzt; die Sache ist ihm ohnehin jetzt peinlich; er
befindet sich in einer unbehaglichen Lage; das sollten Sie merken und
verstehen ...«
    »Genug, Herr Terentjew, genug!« gelang es Gawrila Ardalionowitsch
endlich, ihn zu unterbrechen. »Beruhigen Sie sich, regen Sie sich nicht
auf; Sie scheinen ja doch recht krank zu sein. Sie tun mir sehr leid.
Wenn Sie es also wünschen, so schließe ich, das heißt ich sehe mich
genötigt, diejenigen Tatsachen, deren vollständige und auf Beweise
gestützte Kenntnis meines Erachtens nicht überflüssig sein würde, nur
noch in aller Kürze mitzuteilen«, fügte er hinzu, als er eine
allgemeine Bewegung wahrnahm, die wie Ungeduld aussah. »Ich möchte nur
zur Kenntnis aller, die sich für die Sache interessieren, bringen, daß
Ihre Mutter, Herr Burdowski, lediglich deswegen Herrn Pawlischtschews
Wohlwollen und Fürsorge genoß, weil sie die Schwester jenes
Gutsmädchens war, in das Nikolai Andrejewitsch Pawlischtschew seit
seiner Jugend so verliebt war, daß er sie unzweifelhaft geheiratet
hätte, wenn sie nicht frühzeitig gestorben wäre. Ich habe Beweise
dafür, daß diese stille Liebe, so sicher und zuverlässig sie auch
feststeht, doch sehr wenig bekannt war und bald in Vergessenheit
geriet. Des weiteren könnte ich Ihnen darlegen, daß Ihre Mutter schon
als zehnjähriges Kind von Herrn Pawlischtschew wie eine Verwandte zur
Erziehung angenommen wurde, daß ihr eine beträchtliche Mitgift
ausgesetzt wurde, und daß all diese Fürsorge bei Pawlischtschews
zahlreicher Verwandtschaft sehr beunruhigende Gerüchte hervorrief; man
dachte sogar, er werde seine Pflegetochter heiraten. Aber die Sache
endete damit, daß sie aus Neigung (und das könnte ich Ihnen auf das
schlagendste beweisen) im Alter von zwanzig Jahren den Feldmesser Herrn
Burdowski heiratete. Ich habe nun mehrere zuverlässige Tatsachen
zusammengebracht zum Beweis, daß Ihr Vater, Herr Burdowski, der
durchaus kein erfahrener Geschäftsmann war, nach Empfang der Mitgift
Ihrer Mutter im Betrag von fünfzehntausend Rubeln den Dienst
quittierte, sich auf kaufmännische Unternehmungen einließ, betrogen
wurde, das Kapital einbüßte, den Kummer darüber nicht zu ertragen
vermochte und zu trinken anfing, wovon er nachher krank wurde und
schließlich frühzeitig starb, im achten Jahr nach seiner Verheiratung
mit Ihrer Mutter. Darauf blieb diese, nach ihrem eigenen Zeugnis, in
bitterer Armut zurück und wäre ganz zugrunde gegangen, wenn nicht
Pawlischtschew sie beständig in großmütigster Weise unterstützt hätte:
er gab ihr jährlich eine Beihilfe bis zu sechshundert Rubeln. Ferner
habe ich zahllose Zeugnisse dafür, daß er Sie, als Sie noch ein kleines
Kind waren, herzlich liebte. Aus diesen Zeugnissen, sowie auch wieder
aus der Bestätigung von seiten Ihrer Mutter, geht hervor, daß er Sie
namentlich deswegen liebte, weil Sie in Ihrer Kindheit stotterten und
den Eindruck eines verkrüppelten, bemitleidenswerten, unglücklichen
Kindes machten (Pawlischtschew aber hatte, wie ich aus zuverlässigen
Beweisen schloß, sein ganzes Leben lang eine besondere zärtliche
Zuneigung für alles Niedergedrückte und von der Natur Vernachlässigte,
besonders wenn es sich um Kinder handelte – eine Tatsache, die nach
meiner Überzeugung für unsere Angelegenheit von hoher Wichtigkeit

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