Der Idiot
ist).
Endlich kann ich mich rühmen, noch über einen bedeutsamen Punkt sehr
genaue Untersuchungen angestellt zu haben, nämlich darüber, wie diese
außerordentliche Zuneigung Pawlischtschews zu Ihnen (er machte es
möglich, daß Sie auf das Gymnasium kamen und unter besonderer Aufsicht
und Anleitung lernten) endlich allmählich Pawlischtschews Verwandte und
Hausgenossen auf den Gedanken brachte, sie wären sein Sohn und Ihr
Vater nur ein betrogener Ehemann. Aber die Hauptsache ist, daß dieser
Gedanke sich erst in Pawlischtschews letzten Lebensjahren zu einer
bestimmten, allgemeinen Überzeugung verdichtete, das heißt zu einer
Zeit, als alle für die Erbschaft zu fürchten anfingen, und als die
ursprünglichen Tatsachen in Vergessenheit geraten, Nachforschungen aber
unmöglich waren. Ohne Zweifel ist diese Idee auch zu Ihnen gelangt,
Herr Burdowski, und hat sich vollständig bei Ihnen festgesetzt. Ihre
Mutter, mit der ich die Ehre hatte, persönlich bekannt zu werden, wußte zwar von all diesen Gerüchten, weiß aber
bis auf diese Stunde nicht (und ich meinerseits habe sie ebenfalls
darüber in Unkenntnis gelassen), daß auch Sie, ihr Sohn, sich unter dem
Bann dieses Gerüchtes befanden. Ich fand Ihre hochverehrte Mutter, Herr
Burdowski, in Pskow krank und in ärgster Armut, in die sie durch
Pawlischtschews Tod geraten ist. Mit Tränen der Dankbarkeit teilte sie
mir mit, daß sie nur durch Sie und Ihre Hilfe ihr Leben auf der Welt
fristet; sie erwartet viel von Ihnen für die Zukunft und glaubt fest an
Ihre künftigen Erfolge ...«
»Das wird aber nachgerade unerträglich!« erklärte auf einmal
Lebedjews Neffe laut und ungeduldig. »Was soll denn hier dieser ganze
Roman?«
»Ekelhaft! Ganz ungehörig!« sagte Ippolit mit heftigen Körperbewegungen.
Burdowski aber äußerte nichts und rührte sich nicht einmal.
»Was das hier soll?« sagte Gawrila Ardalionowitsch mit schlauer
Miene, als wundere er sich sehr, und schickte sich boshaft an, nun
seine Resultate darzulegen. »Erstens ist Herr Burdowski jetzt
vielleicht völlig davon überzeugt, daß Herr Pawlischtschew ihn aus
Edelmut liebte, und nicht als seinen Sohn. Diese Tatsache mußte Herr
Burdowski erfahren, der vorhin nach dem Vorlesen des Artikels des Herrn
Keller sein Einverständnis und seine Billigung aussprach. Ich sage das
deswegen, Herr Burdowski, weil ich Sie für einen anständigen Menschen
halte. Zweitens ergibt sich, daß hier nicht die geringste diebische
Gaunerei vorliegt, nicht einmal von Tschebarows Seite; das ist auch für
mich ein wichtiger Punkt, weil der Fürst vorhin in der Erregung
bemerkte, auch ich sei der Ansicht, daß es sich bei dieser
Angelegenheit um eine diebische Gaunerei handle. Es bestand vielmehr
auf allen Seiten eine feste Überzeugung, und wiewohl Tschebarow
vielleicht wirklich ein großer Schurke ist, hat er doch in diesem Fall
lediglich wie ein erwerbslustiger Winkeladvokat gehandelt. Er hoffte,
als Rechtsbeistand ein tüchtiges Stück Geld zu verdienen, und seine
Spekulation war nicht nur fein und meisterhaft, sondern auch sehr
richtig: er baute auf die Leichtigkeit, mit der der Fürst Geld ausgab,
und auf das Gefühl der Dankbarkeit und Verehrung, das er für den
verstorbenen Pawlischtschew hegte; er baute ferner (was das Wichtigste
ist) auf die bekannten ritterlichen Anschauungen des Fürsten von den
Pflichten der Ehre und des Gewissens. Was nun speziell Herrn Burdowski
betrifft, so kann man sagen, daß er infolge seiner eigenen Überzeugung
dermaßen der Einwirkung Tschebarows und seiner Umgebung unterlag, daß
er die Sache fast gar nicht aus persönlichem Interesse unternahm,
sondern in der Meinung, damit der Wahrheit, dem Fortschritt und der
Menschheit einen Dienst zu erweisen. Jetzt also, nach Mitteilung dieser
Tatsachen, wird es allen klar sein, daß Herr Burdowski ein reiner
Charakter ist, trotz alles gegenteiligen Scheines, und der Fürst kann
ihm jetzt noch eher und lieber als vorhin seine freundliche
Unterstützung und die tatkräftige Beihilfe anbieten, von der er vorhin
sprach, als er von der Schule und von Pawlischtschew redete.«
»Hören Sie auf, Gawrila Ardalionowitsch, hören Sie auf!« rief der Fürst in aufrichtigem Schreck. Aber es war schon zu spät.
»Ich habe gesagt, ich habe schon dreimal gesagt«, rief Burdowski in
gereiztem Ton, »daß ich kein Geld will. Ich nehme es nicht an ... wozu
... ich will nicht ... fort von hier!«
Er wollte eilends die Veranda verlassen. Aber Lebedjews Neffe
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