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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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zwar
vielleicht nur rubelweise, aber mit Zinsen. Burdowski ist arm,
Burdowski besitzt keine Millionen, und Tschebarow reichte nach der
Reise seine Rechnung ein. Wir hatten auf einen Gewinn gehofft ... Wer
hätte an seiner Stelle anders gehandelt?«
    »Anders als wer?« rief Fürst Schtsch.
    »Ich werde hier noch verrückt!« rief Lisaweta Prokofjewna.
    »Das erinnert«, bemerkte lachend Jewgeni Pawlowitsch, der lange
dagestanden und nur beobachtet hatte, »an eine berühmte
Verteidigungsrede, die ein Advokat kürzlich hielt. Er betonte als
Milderungsgrund die Armut seines Klienten, der sechs Menschen mit
einemmal ermordet hatte, um sie auszurauben, und schloß plötzlich
folgendermaßen: ›Es ist ganz natürlich, daß meinem Klienten bei seiner
Armut der Gedanke kam, diese sechs Menschen zu ermorden; wem wäre an
seiner Stelle nicht derselbe Gedanke gekommen?‹ Diese Art der
Verteidigung hat etwas sehr Amüsantes.«
    »Genug!« rief plötzlich, vor Zorn zitternd, Lisaweta Prokofjewna.
»Es ist Zeit, mit diesem sinnlosen Gerede aufzuhören ...!« Sie befand
sich in furchtbarer Aufregung, warf den Kopf drohend zurück und ließ
ungeduldig, hochmütig und herausfordernd ihren funkelnden Blick über
die ganze Gesellschaft hinschweifen, wobei sie in diesem Augenblick
kaum die Freunde von den Feinden unterschied. Sie war auf jenem Punkt
lange zurückgehaltenen, aber nun endlich ausbrechenden Zornes
angelangt, wo man sich zu sofortigem Kampf gedrängt fühlt und das
Bedürfnis verspürt, unverzüglich über jemand herzufallen. Wer Lisaweta
Prokofjewna kannte, mußte sogleich merken, daß mit ihr etwas Besonderes
vorging. Iwan Fjodorowitsch sagte am andern Tag zum Fürsten Schtsch.:
    »Das kommt ja bei ihr manchmal vor, aber in dem Grad, wie gestern,
doch nur sehr selten; so alle drei Jahre einmal, aber nicht öfter,
nicht öfter!« fügte er erläuternd hinzu.
    »Genug, Iwan Fjodorowitsch! Lassen Sie mich!« rief Lisaweta
Prokofjewna. »Warum bieten Sie mir jetzt Ihren Arm? Vorhin verstanden
Sie nicht, den richtigen Zeitpunkt wahrzunehmen, um mich wegzuführen;
Sie sind der Mann, Sie sind das Oberhaupt der Familie; Sie mußten mich
Närrin am Ohr wegführen, wenn ich nicht auf Sie hörte und wegging. Und
wenigstens sollten Sie für Ihre Töchter sorgen! Aber jetzt werden wir
auch ohne Sie den Weg finden; Anlaß, uns zu schämen, haben wir jetzt
für ein ganzes Jahr genug ... Warten Sie noch einen Augenblick; ich
möchte mich erst noch beim Fürsten bedanken ...! Ich danke dir, Fürst,
für die gastliche Aufnahme! Und ich hatte mich hier behaglich
hergesetzt, um die Jugend reden zu hören ... Das ist eine Gemeinheit,
eine Gemeinheit! Das ist ja ein Unfug, ein Wirrwarr; so etwas sieht man
ja nicht einmal im Traum! Gibt es denn wirklich viele solche Menschen
...? Schweig still, Aglaja! Schweig still, Alexandra! Das ist nicht
eure Sache ...! Drehen Sie sich nicht immer neben mir hin und her,
Jewgeni Pawlowitsch; Sie sind mir ganz zuwider geworden ...! Also du,
mein Lieber, bittest diese Menschen noch um Verzeihung«, fuhr sie, sich
wieder an den Fürsten wendend, fort. »›Verzeihen Sie‹, sagst du, ›daß
ich Ihnen ein Kapital anzubieten gewagt habe ...!‹ Und du,
Schwadroneur, was hast du denn zu lachen?« fuhr sie plötzlich auf
Lebedjews Neffen los. »Du sagst: ›Wir verzichten auf das Kapital; wir
bitten nicht, sondern wir fordern!‹ Als ob er nicht wüßte, daß dieser
Idiot gleich morgen wieder zu ihnen hinlaufen wird, um ihnen seine
Freundschaft und sein Geld anzubieten! Du wirst ja doch wohl hingehen?
Wirst du hingehen? Ja oder nein?«
    »Ja, ich werde hingehen«, antwortete der Fürst leise und demütig.
    »Na, da hört ihr's! Darauf rechnest du ja auch bloß!« wandte sie
sich wieder zu Doktorenko; »jetzt hast du das Geld schon so gut wie in
der Tasche; und da schwadronierst du, um uns Sand in die Augen zu
streuen ... Nein, Verehrtester, da mußt du dir andere suchen, die
dümmer sind als ich; ich durchschaue euch durch und durch ... ich
verstehe euer ganzes Spiel!«
    »Lisaweta Prokofjewna!« rief der Fürst.
    »Kommen Sie weg von hier, Lisaweta Prokofjewna; es ist hohe Zeit;
auch den Fürsten wollen mir mitnehmen«, sagte Fürst Schtsch. lächelnd
in möglichst ruhigem Ton.
    Die Mädchen standen ängstlich abseits; der General war ganz
erschrocken; überhaupt waren alle erstaunt. Einige, die etwas weiter
entfernt standen, lächelten heimlich und flüsterten untereinander;
Lebedjews Gesicht drückte den

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