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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Ehren
für eine Schule verwenden; aber es ist ja jetzt ganz gleich, ob ich sie
für eine Schule verwende oder sie Herrn Burdowski gebe, weil Herr
Burdowski, wenn er auch nicht Pawlischtschews Sohn ist, doch beinah an
Stelle eines solchen steht, da man ihn selbst darüber so boshaft
getäuscht hat und er selbst sich aufrichtig für Pawlischtschews Sohn
gehalten hat! Hören Sie nun mit an, meine Herren, was Gawrila
Ardalionowitsch uns sagen wird: bringen wir die Sache zu Ende; seien
Sie nicht zornig, regen Sie sich nicht auf, setzen Sie sich hin!
Gawrila Ardalionowitsch wird uns sogleich alles erklären, und ich
gestehe, daß ich selbst außerordentlich begierig bin, alle Einzelheiten
zu erfahren. Er sagte, er sei sogar nach Pskow zu Ihrer Mutter
gefahren, Herr Burdowski, die keineswegs gestorben ist, wie man Sie in
dem Artikel hat schreiben lassen ... Setzen Sie sich hin, meine Herren,
setzen Sie sich hin!«
    Der Fürst setzte sich, und es gelang ihm, auch Herrn Burdowskis
Begleiter, die von ihren Plätzen aufgesprungen waren, wieder zum
Hinsetzen zu bewegen. In den letzten zehn oder zwanzig Minuten hatte er
hitzig, laut, in ungeduldiger Hast gesprochen, sich hinreißen lassen
und alle andern zu überschreien gesucht; jetzt, gleich darauf, bereute
er naturgemäß bitterlich einige ihm entschlüpfte Ausdrücke und die
Äußerung gewisser Vermutungen.
    Hätte man ihn nicht so gereizt und ganz außer sich gebracht, so
würde er es sich nicht gestattet haben, manche Vermutungen so
unverhüllt und hastig mit unnötiger Offenherzigkeit laut auszusprechen.
Aber kaum hatte er sich wieder auf seinen Platz gesetzt, als ein
schmerzhaft brennendes Gefühl der Reue sein Herz durchdrang: er hatte
Burdowski nicht nur dadurch »beleidigt«, daß er so laut und öffentlich
bei ihm dieselbe Krankheit voraussetzte, gegen die er selbst in der
Schweiz eine Kur gebraucht hatte, sondern er hatte ihm auch das Angebot
der eigentlich für eine Schule bestimmten zehntausend Rubel seiner
Meinung nach in einer plumpen, unvorsichtigen Weise gemacht, namentlich
insofern, als er es vor allen Leuten mit lauten Worten getan hatte.
»Ich hätte warten und es ihm morgen unter vier Augen anbieten müssen«,
dachte der Fürst sogleich; »aber das ist jetzt wohl nicht mehr
gutzumachen! Ja, ich bin ein Idiot, ein richtiger Idiot!« sagte er sich
in einem Anfall von Scham und aufrichtiger Betrübnis.
    Inzwischen war Gawrila Ardalionowitsch, der sich bis dahin abseits
gehalten und beharrlich geschwiegen hatte, auf des Fürsten Aufforderung
vorgetreten, hatte sich neben ihn gestellt und begann nun ruhig und
klar über die Ausführung des ihm vom Fürsten erteilten Auftrages
Bericht zu erstatten. Alle Gespräche waren augenblicklich verstummt.
Alle hörten höchst gespannt zu, namentlich Burdowskis ganzes Gefolge.
Fußnoten
    1 Aus Gribojedows (1793-1829) bekanntem Lustspiel in Versen »Verstand schafft Leiden«, Akt II, Szene 2. (A.d.Ü.)
    2 Der Name des Schweizer Professors.
    3 Der Name des jungen Edelings.

IX
    »Sie werden gewiß nicht leugnen«, begann Gawrila Ardalionowitsch,
sich speziell an Burdowski wendend, der mit größter Anstrengung
zuhörte, ihn vor Erstaunen mit weit aufgerissenen Augen anstarrte und
sich offenbar in höchster Verwirrung befand, »Sie werden und wollen
gewiß nicht ernstlich leugnen, daß Sie gerade zwei Jahre nach der
Verheiratung Ihrer verehrten Mutter mit dem Kollegiensekretär Herrn
Burdowski, Ihrem Vater, geboren sind. Die Zeit Ihrer Geburt läßt sich
sehr leicht dokumentarisch feststellen, so daß die für Sie und für Ihre
Mutter so beleidigende Entstellung dieser Tatsache in Herrn Kellers
Artikel sich einzig und allein als ein Spiel der eigenen Phantasie
dieses Herrn darstellt, der der Meinung war, dadurch die Evidenz Ihres
Rechtes zu erhöhen und so Ihren Interessen zu dienen. Herr Keller sagt,
er habe Ihnen den Artikel vorher vorgelesen, wiewohl nicht ganz ...
ohne allen Zweifel hat er ihn Ihnen nicht bis zu dieser Stelle
vorgelesen ...«
    »Bis zu dieser Stelle allerdings nicht«, unterbrach ihn der Boxer;
»aber alle Tatsachen waren mir von einer vertrauenswürdigen
Persönlichkeit mitgeteilt worden, und ich ...«
    »Verzeihen Sie, Herr Keller«, unterbrach ihn Gawrila
Ardalionowitsch, »lassen Sie mich jetzt reden! Ich versichere Ihnen,
daß wir seinerzeit auch noch auf Ihren Artikel zu sprechen kommen
werden; dann können Sie Ihre Erklärungen abgeben; jetzt aber wollen wir
lieber in guter Ordnung fortfahren. Ganz

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