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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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selbst
Lisaweta Prokofjewna vielleicht nicht wird hierbleiben mögen.«
    Der Fürst blickte ihn fragend an.
    »Sie fürchten sich vor solchen Absonderlichkeiten nicht?« fügte
Jewgeni Pawlowitsch hinzu. »Ich tue es auch nicht; ich wünsche
dergleichen sogar herbei: es liegt mir besonders daran, daß unsere
liebe Lisaweta Prokofjewna bestraft wird, und zwar gleich heute, gleich
jetzt; vorher möchte ich gar nicht fortgehen. Aber Sie fiebern ja, wie
es scheint?«
    »Lassen wir das jetzt! Stören Sie nicht! Ja, ich bin nicht wohl«, antwortete der Fürst zerstreut und ungeduldig.
    Er hörte seinen Namen; Ippolit sprach von ihm.
    »Sie glauben es nicht?« lachte Ippolit krampfhaft. »Das war
vorauszusehen; aber der Fürst wird es gleich beim ersten Wort glauben
und gar nicht erstaunt darüber sein.«
    »Hörst du wohl, Fürst?« wandte sich Lisaweta Prokofjewna an ihn. »Hörst du wohl?«
    Ringsum wurde gelacht. Lebedjew drängte sich eifrig nach vorn und
wendete und drehte sich dicht vor Lisaweta Prokofjewna hin und her.
    »Er hat gesagt, daß dieser Grimassenschneider da, dein Hauswirt,
jenem Herrn den Schmähartikel verbessert hat, der vorhin vorgelesen
wurde.«
    Der Fürst sah Lebedjew erstaunt an.
    »Warum schweigst du denn?« fragte Lisaweta Prokofjewna den Fürsten und stampfte dabei sogar mit dem Fuß.
    »Nun ja«, murmelte der Fürst, der seinen Blick immer noch auf Lebedjew gerichtet hielt, »ich sehe schon, daß er es getan hat.«
    »Ist das die Wahrheit?« wandte sich Lisaweta Prokofjewna schnell an Lebedjew.
    »Die reine Wahrheit, Exzellenz!« antwortete Lebedjew in festem Ton ohne zu zaudern und legte dabei die Hand aufs Herz.
    »Er rühmt sich dessen noch!« rief sie und war nah daran, vom Stuhl aufzuspringen.
    »Ich bin ein gemeiner Mensch, ein gemeiner Mensch!« murmelte
Lebedjew, schlug sich gegen die Brust und ließ den Kopf immer tiefer
und tiefer hängen.
    »Was fange ich damit an, daß du ein gemeiner Mensch bist! Er denkt,
wenn er sagt: ›Ich bin ein gemeiner Mensch!‹ dann hat er sich
herausgeholfen. Schämst du dich nicht, Fürst, mit solchen jämmerlichen
Menschen zu verkehren? frage ich dich noch einmal. Ich werde dir das
nie verzeihen!«
    »Mir wird der Fürst verzeihen!« sagte Lebedjew fest überzeugt und sehr gerührt.
    »Lediglich aus Edelmut«, begann auf einmal mit lauter, volltönender
Stimme Keller, der schnell herzugetreten war und sich nun unmittelbar
an Lisaweta Prokofjewna wandte, »lediglich aus Edelmut, gnädige Frau,
um nicht einen Freund durch Verrat zu kompromittieren, habe ich vorhin
von den Verbesserungen, die er vorgenommen hatte, geschwiegen, obgleich
er vorschlug, uns aus der Tür zu werfen, wie Sie selbst gehört haben.
Zur Ehre der Wahrheit gestehe ich nun, daß ich mich tatsächlich an ihn
gewendet und ihm sechs Rubel bezahlt habe, aber durchaus nicht dafür,
daß er meinen Stil verbessert hätte, sondern dafür, daß er als eine
kompetente Persönlichkeit mir Tatsachen mitteilte, die mir größtenteils
unbekannt waren. Das von den Gamaschen, von dem Appetit bei dem
Schweizer Professor und von den fünfzig Rubeln statt der
zweihundertfünfzig Gesagte, kurz diese ganze Partie stammt von ihm her
und ist mit sechs Rubeln honoriert worden; aber den Stil hat er nicht
korrigiert.«
    »Ich muß bemerken«, unterbrach ihn Lebedjew mit fieberhafter
Ungeduld und in kriecherischem Ton, während das Lachen ein immer
allgemeineres wurde, »daß ich nur die erste Hälfte des Artikels
verbessert habe; aber da wir in der Mitte uns veruneinigten und wegen
eines Satzes in Streit gerieten, so habe ich die zweite Hälfte nicht
mehr verbessert, und es darf daher alles, was darin gegen die gute
Schreibart verstößt (und dessen ist vieles!), mir nicht zur Last gelegt
werden ...«
    »Also das ist es, worauf es ihm ankommt!« rief Lisaweta Prokofjewna.
    »Gestatten Sie die Frage«, wandte sich Jewgeni Pawlowitsch an
Keller, »wann denn diese Verbesserungen des Artikels stattgefunden
haben.«
    »Gestern vormittag«, antwortete Keller. »Wir hatten eine
Zusammenkunft und versprachen uns gegenseitig mit unserem Ehrenwort,
das Geheimnis zu bewahren.«
    »Das war also fast zu derselben Zeit, wo er sich gegen dich so
kriecherisch benahm und dich seiner Ergebenheit versicherte. Nein,
diese jämmerlichen Menschen! Ich brauche deinen Puschkin nicht, und
deine Tochter soll auch nicht zu mir kommen!«
    Lisaweta Prokofjewna wollte schon aufstehen; aber plötzlich wandte sie sich gereizt an den

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