Der Idiot
die Möglichkeit, sich zu betätigen;
aber der Uniformkragen ist fest zugehakt, die Disziplin kommt auch in
der Handschrift zum Ausdruck, es ist zum Entzücken! Erst kürzlich
frappierte mich eine solche Vorschrift, die ich zufällig fand, und wo
hatte ich sie gefunden? In der Schweiz! Nun weiter! Hier ist die
einfache, gewöhnliche, ganz reine englische Schrift, das Nonplusultra
von Eleganz; da ist alles reizend, perlenartig, geradezu vollendet.
Aber da ist noch eine Variation, und zwar wieder eine französische; ich
habe sie einem französischen commis voyageur entlehnt: es ist dieselbe
englische Schrift, aber die Grundstriche sind um eine Kleinigkeit
dicker und kräftiger als bei der englischen, und gleich ist das
Verhältnis von Licht und Schatten gestört. Und beachten Sie noch dies:
die Gestalt der Ovale ist geändert; sie ist hier um eine Kleinigkeit
rundlicher, und außerdem sind Schnörkel zugelassen; der Schnörkel aber,
das ist ein höchst gefährliches Ding! Der Schnörkel verlangt einen
ungewöhnlich guten Geschmack; aber wenn er dann gelingt, wenn das
richtige Verhältnis getroffen ist, dann ist eine solche Schrift auch
mit nichts zu vergleichen; man könnte sich geradezu in sie verlieben.«
»Oho! In was für Subtilitäten geraten Sie da hinein!« rief der
General lachend. »Sie sind ja gar kein gewöhnlicher Kalligraph, mein
Bester; Sie sind ein Künstler! Nicht wahr, Ganja?«
»Es ist zum Erstaunen!« sagte Ganja. »Und Sie sind sich auch dessen
bewußt, wozu Sie berufen sind«, fügte er spöttisch lachend hinzu.
»Lache du nur, lache du nur!« sagte der General; »aber diese
Fähigkeit eröffnet dem Fürsten eine gute Laufbahn. Wissen Sie, Fürst,
an was für hohe Persönlichkeiten wir Sie jetzt werden Briefe schreiben
lassen? Fünfunddreißig Rubel kann man Ihnen gleich von vornherein
monatlich geben. Aber es ist schon halb eins«, unterbrach er sich mit
einem Blick auf die Uhr. »Also schnell zur Sache, Fürst; denn ich muß
mich beeilen, und wir werden uns heute vielleicht nicht mehr sehen.
Nehmen Sie einen Augenblick Platz; ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich
nicht in der Lage bin, Sie sehr oft zu empfangen; aber ich wünsche von
Herzen, Ihnen ein klein wenig behilflich zu sein, selbstverständlich
nur ein klein wenig, das heißt, was das Notwendigste anlangt; dann
werden Sie sich ja selbst nach eigenem Belieben weiterhelfen. Eine
kleine Stelle auf einem Bureau werde ich Ihnen beschaffen, keine sehr
anstrengende, aber sie wird Pünktlichkeit verlangen. Jetzt ein Wort
über das Weitere: In dem Hause, das heißt in der Familie Gawrila
Ardalionowitsch Iwolgins, eben dieses meines jungen Freundes, mit dem
ich mir erlaube Sie bekanntzumachen, haben seine Mutter und seine
Schwester von ihrer Wohnung zwei oder drei möblierte Zimmer abgezweigt
und geben sie an gut empfohlene Mieter mit Beköstigung und Bedienung
ab. Auf meine Empfehlung hin wird, wie ich nicht zweifle, Nina
Alexandrowna Sie aufnehmen. Für Sie, Fürst, wird das von
außerordentlich hohem Wert sein, schon weil Sie dann nicht allein sein,
sondern sich sozusagen im Schoß einer Familie befinden werden, und
meiner Ansicht nach dürfen Sie bei den ersten Schritten in einer
solchen Hauptstadt wie Petersburg nicht allein sein. Nina Alexandrowna,
Gawrila Ardalionowitschs Mutter, und Warwara Ardalionowna, seine
Schwester, sind Damen, die ich sehr hochschätze. Nina Alexandrowna ist
die Gemahlin Ardalion Alexandrowitschs, eines pensionierten Generals,
der zu Beginn meiner Dienstzeit mein Kamerad war, mit dem ich aber
wegen gewisser Umstände die Beziehungen abgebrochen habe, was mich
übrigens nicht hindert, ihn gebührendermaßen hochzuachten. Ich setze
Ihnen dies alles auseinander, Fürst, damit Sie sehen, daß ich Sie
sozusagen persönlich empfehle und folglich mich für Sie gewissermaßen
verbürge. Der Preis ist ein sehr mäßiger, und ich hoffe, daß Ihr Gehalt
bald völlig dazu ausreichen wird. Allerdings braucht man auch
Taschengeld, wenigstens etwas; aber nehmen Sie es mir nicht übel,
Fürst, wenn ich Ihnen bemerke, daß Sie am besten tun, auf Taschengeld
zu verzichten und überhaupt kein Geld in der Tasche bei sich zu führen.
Das ist meine Ansicht über Sie, und darum sage ich es Ihnen. Aber da
jetzt Ihr Geldbeutel ganz leer ist, so gestatten Sie mir, Ihnen diese
fünfundzwanzig Rubel hier anzubieten. Wir werden schon miteinander
abrechnen, und wenn Sie wirklich ein so aufrichtiger, treuherziger
Mensch sind, wie es nach Ihren
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