Der Idiot
Porträt stellte in der Tat eine Frau von ungewöhnlicher
Schönheit dar. Sie hatte sich in einem schwarzen Seidenkleid von
außerordentlich einfachem, elegantem Schnitt photographieren lassen;
das anscheinend dunkelblonde Haar zeigte eine schlichte, für das Haus
bestimmte Frisur; die Augen waren dunkel und tief, die Stirn
nachdenklich; das Gesicht trug einen leidenden und dabei, wie es
schien, doch hochmütigen Ausdruck. Sie war im Gesicht etwas mager und
vielleicht auch blaß. Ganja und der General sahen den Fürsten erstaunt
an.
»Nastasja Filippowna? Kennen Sie Nastasja Filippowna etwa schon?« fragte der General.
»Ja, ich bin erst vierundzwanzig Stunden in Rußland und kenne bereits ein so schönes Weib«, antwortete der Fürst.
Und nun berichtete er von seiner Begegnung mit Rogoschin und teilte alles mit, was dieser ihm erzählt hatte.
»Das ist ja eine hübsche Neuigkeit!« rief der General, der wieder in
Unruhe geraten war. Er hatte die Erzählung mit großer Aufmerksamkeit
angehört und blickte nun Ganja fragend an.
»Wahrscheinlich nur so eine Unschicklichkeit«, murmelte dieser, dem
gleichfalls eine gewisse Betroffenheit anzumerken war. »Ein
Kaufmannssöhnchen extravagiert. Ich hatte schon etwas davon gehört.«
»Auch ich hatte davon gehört, lieber Freund«, erwiderte der General.
»Nastasja Filippowna hat mir gleich damals nach der Geschichte mit den
Ohrringen den ganzen Hergang erzählt. Aber die Sache gewinnt jetzt ein
anderes Gesicht. Hier kommt vielleicht wirklich eine Million ins Spiel
und ... und eine Leidenschaft. Eine verdrehte Leidenschaft allerdings,
aber es sieht doch nach Leidenschaft aus, und man weiß ja, wozu diese
Herren in solchem Rausch fähig sind ...! Hm ...! Wenn daraus nur nicht
ein Skandal entsteht!« schloß der General nachdenklich.
»Sie haben Furcht vor der Million?« fragte Ganja lächelnd.
»Du wohl nicht?«
»Was hatten Sie für einen Eindruck, Fürst?« wandte sich Ganja
plötzlich an Myschkin. »Ist das ein energischer Mensch oder nur so ein
windiger Patron? Wie urteilen Sie über ihn?«
In Ganja ging, als er diese Frage stellte, etwas Besonderes vor. Ein
neuer, eigenartiger Gedanke war, wie es schien, in seinem Gehirn
aufgeflammt und leuchtete nun ungeduldig aus seinen Augen hervor. Der
General, der in wirkliche, ernste Unruhe geraten war, schielte
gleichfalls nach dem Fürsten hin, aber mit einem Gesicht, als wenn er
von dessen Antwort nicht viel erwarte.
»Ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll«, antwortete der
Fürst, »aber es schien mir, daß er von einer starken Leidenschaft, ja
von einer krankhaften Leidenschaft ergriffen sei. Auch körperlich
machte er noch durchaus den Eindruck eines Kranken. Sehr gut möglich,
daß er sich gleich in den ersten Tagen seines Aufenthalts hier in
Petersburg wieder ins Bett legen muß, namentlich, wenn er zu wild
drauflos lebt.«
»So! Also diesen Eindruck hatten Sie?« fragte der General, dessen Interesse dieser Gedanke erregte.
»Ja, den Eindruck hatte ich.«
»Und derartige Skandalgeschichten werden sich möglicherweise nicht
erst in einigen Tagen ereignen, sondern es kann noch heute, ehe es
Abend wird, eine überraschende Wendung eintreten«, sagte Ganja lächelnd
zum General.
»Hm ...! Gewiß ... Gut möglich; es hängt ganz davon ab, was sie gerade für einen Einfall hat«, versetzte der General.
»Sie wissen ja, wie wunderlich sie manchmal ist.«
»Was meinst du damit?« rief der General, der sehr verstimmt war,
heftig. »Hör mal, Ganja, tu mir den Gefallen und widersprich ihr heute
nicht zuviel, und gib dir Mühe, so recht ... weißt du ... mit einem
Wort, so recht herzlich zu sein ... Hm ...! Warum ziehst du den Mund
schief? Hör mal, Gawrila Ardalionowitsch, ich halte es für zweckmäßig,
für sehr zweckmäßig, dir zu sagen: wozu geben wir uns all die Mühe? Du
siehst wohl ein, daß ich mich in betreff meines eigenen Gewinnanteils,
den mir die Sache bringen soll, längst gesichert habe; ich werde die
Angelegenheit auf die eine oder die andere Art, aber jedenfalls zu
meinem Vorteil erledigen. Tozki hat seinen Entschluß gefaßt und wird
daran unerschütterlich festhalten, so daß ich mich völlig darauf
verlassen kann. Wenn ich daher jetzt noch einen Wunsch hege, so habe
ich dabei einzig und allein deinen Vorteil im Auge. Das kannst du dir
doch selbst sagen; oder traust du mir etwa nicht? Dabei bist du doch
ein Mensch ... ein Mensch ... mit einem Wort, ein Mensch, der Verstand
besitzt, und
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