Der Idiot
praktische
Erfahrung! Hören Sie mal zu, und prägen Sie es sich gut ein: erstens
kaufen Sie sich gutes Pistolenpulver, nicht feuchtes (es darf nicht
feucht sein, sage ich; es muß ganz trocken sein), recht feines; solches
müssen Sie gleich fordern, nicht solches, mit dem man aus Kanonen
schießt. Die Kugel gießt man sich irgendwie selbst. Haben Sie Pistolen?«
»Nein, ich brauche auch keine«, versetzte der Fürst lachend.
»Ach, dummes Zeug! Kaufen Sie sich unter allen Umständen eine: eine
gute französische oder englische; das sind die besten, sage ich Ihnen.
Dann nehmen Sie Pulver, etwa einen Fingerhut voll oder vielleicht zwei,
und schütten Sie es hinein! Lieber ein bißchen mehr. Drücken Sie es mit
Filz fest (Filz ist ungedingt nötig, sage ich Ihnen); den können Sie
sich leicht irgendwoher beschaffen, von einer Matratze; auch die Türen
werden manchmal mit Filz beschlagen. Dann, wenn Sie den Filz
hineingesteckt haben, legen Sie die Kugel darauf; hören Sie wohl: die
Kugel nachher, das Pulver zuerst; sonst schießt es nicht. Warum lachen
Sie? Ich will, daß Sie täglich ein paarmal schießen und unbedingt ein
Ziel treffen lernen. Werden Sie das auch tun?«
Der Fürst lachte; Aglaja stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. Ihre
ernste Miene bei einem solchen Gespräch setzte den Fürsten einigermaßen
in Erstaunen. Er hatte die unklare Empfindung, daß er hier etwas in
Erfahrung bringen, nach etwas fragen müsse, und zwar jedenfalls nach
etwas Ernsthafterem, als es das Laden einer Pistole war. Aber all das
war ihm aus dem Sinn entschwunden, und er fühlte nur das eine, daß sie
vor ihm saß und er sie ansah; worüber sie redete, das war ihm in diesem
Augenblick so gut wie gleichgültig.
Endlich kam Iwan Fjodorowitsch selbst von oben nach der Veranda
herunter; er hatte noch einen Gang vor; seine Miene war finster und
sorgenvoll, zeigte aber feste Entschlossenheit.
»Ah, Ljow Nikolajewitsch, du bist hier ... Wo willst du denn jetzt
hin?« fragte er, obwohl dieser gar nicht daran dachte, sich von seinem
Platz zu rühren. »Komm mit, ich möchte gern noch ein paar Worte mit dir
sprechen.«
»Auf Wiedersehen!« sagte Aglaja und reichte dem Fürsten die Hand.
In der Veranda war es schon recht dunkel, und der Fürst konnte jetzt
ihren Gesichtsausdruck nicht deutlich erkennen. Gleich darauf, als er
bereits mit dem General das Landhaus verließ, errötete er plötzlich
stark und preßte seine rechte Hand fest zusammen.
Es stellte sich heraus, daß Iwan Fjodorowitsch mit ihm den gleichen
Weg hatte; der General ging trotz der späten Stunde noch eilig aus, um
sich mit jemand über etwas zu besprechen. Zunächst aber begann er jetzt
mit dem Fürsten zu reden, hastig, aufgeregt, unzusammenhängend, und tat
in dem, was er sagte, häufig Lisaweta Prokofjewnas Erwähnung. Hätte der
Fürst in diesem Augenblick aufmerksamer sein können, so würde er
vielleicht gemerkt haben, daß Iwan Fjodorowitsch unter anderm auch von
ihm etwas herauszubringen oder, richtiger ausgedrückt, ihn offen und
gerade nach etwas zu fragen wünschte, es aber immer nicht
fertigbrachte, den Hauptpunkt zu berühren. Zu seiner Schande war aber
der Fürst in dem Grade zerstreut, daß er gleich von vornherein nichts
hörte und, als der General mit einer eifrigen Frage vor ihm
stehenblieb, genötigt war zu bekennen, daß er nichts verstanden habe.
Der General zuckte mit den Achseln.
»Was seid ihr alle für sonderbare Menschen geworden«, begann er dann
von neuem. »Ich sage dir, ich begreife gar nicht, was Lisaweta
Prokofjewna sich für Gedanken macht, und warum sie sich so aufregt. Sie
ist furchtbar nervös und weint und sagt, wir seien beschimpft und an
den Pranger gestellt worden. Wer hätte das getan? Wie? Wodurch? Wann
und warum? Ich gestehe, daß ich einen Teil der Schuld trage (das gebe
ich zu), einen großen Teil der Schuld; aber den hinterlistigen Anfällen
dieses ... dieses unruhigen Weibes (obendrein ist auch ihre Aufführung
schlecht) muß schließlich durch die Polizei ein Ende gemacht werden,
und ich beabsichtige gleich heute, mich zu diesem Zweck mit jemand zu
besprechen und der Sache einen Riegel vorzuschieben. Man kann all
dergleichen im stillen, im guten, sogar in freundlicher Weise, durch
gute Bekannte und ohne alles Aufsehen abmachen. Ich gebe auch zu, daß
die Zukunft noch manche Überraschungen in ihrem Schoß birgt, und daß
vieles noch unaufgeklärt ist; es steckt da eine Intrige dahinter; aber
wenn man hier nichts weiß
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