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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Gesellschaft
auseinandergeht; überdies wüßte ich auch nicht, was ich sonst anfangen
sollte: ich bin so aufgeregt, daß ich mich gar nicht schlafen legen
werde. Endlich möchte ich Ihnen noch eins geradeheraus sagen: obwohl es
gewissenlos und unschicklich ist, sich jemandem so geradezu
aufzudrängen, so bin ich doch hergekommen, um Ihre Freundschaft zu
werben, mein lieber Fürst; Sie sind ein unvergleichlicher Mensch, das
heißt, Sie lügen nicht auf Schritt und Tritt und vielleicht überhaupt
nicht, und ich bedarf in einer gewissen Angelegenheit eines Freundes
und Ratgebers, weil ich jetzt tatsächlich ein unglücklicher Mensch bin
...«
    Er lachte wieder auf.
    »Das Schlimme ist nur«, sagte der Fürst, nachdem er einen Augenblick
nachgedacht hatte, »Sie wollen warten, bis diese Leute
auseinandergehen; aber weiß Gott, wann das geschehen wird. Wäre es
nicht das beste, wenn wir jetzt in den Park gingen? Gewiß werden sie
ein Weilchen warten; ich werde mich entschuldigen.«
    »Nein, nein, ich möchte aus bestimmten Gründen bei ihnen nicht den
Verdacht aufkommen lassen, als führten wir ein Gespräch mit besonderen
Absichten; es sind hier Leute darunter, die sich sehr für unsere
Beziehungen interessieren – wissen Sie das nicht, Fürst? Es wird weit
besser sein, wenn sie sehen, daß wir auch ohnehin in sehr
freundschaftlichen Beziehungen stehen und nicht nur in besonderen
Fällen miteinander zu schaffen haben; verstehen Sie wohl? Sie werden
nach etwa zwei Stunden auseinandergehen; dann möchte ich Sie zwanzig
Minuten in Anspruch nehmen – nun, oder eine halbe Stunde ...«
    »Aber ich bitte sehr, mit Vergnügen; ich freue mich sehr darauf, mit
Ihnen zu reden, auch wenn es sich nicht um besondere Eröffnungen
handelt; und für Ihre liebenswürdigen Worte über unsere
freundschaftlichen Beziehungen danke ich Ihnen herzlich. Sie
entschuldigen, daß ich heute zerstreut bin; wissen Sie, ich kann mich
augenblicklich schlechterdings nicht zur Aufmerksamkeit zwingen.«
    »Ich sehe, ich sehe«, murmelte Jewgeni Pawlowitsch mit einem leisen Lächeln.
    Er war an diesem Abend überhaupt sehr zum Lachen aufgelegt.
    »Was sehen Sie denn?« fragte der Fürst erschrocken.
    »Hegen Sie denn gar keinen Verdacht, lieber Fürst«, sagte Jewgeni
Pawlowitsch, immer noch lächelnd, ohne auf die direkte Frage zu
antworten, »hegen Sie denn gar keinen Verdacht, daß ich einfach
hergekommen bin, um Sie hinters Licht zu führen und so nebenbei etwas
von Ihnen herauszubekommen, wie?«
    »Daß Sie hergekommen sind, um etwas von mir herauszubekommen, daran
ist kein Zweifel«, antwortete der Fürst lachend, »und vielleicht haben
Sie sich auch vorgenommen, mich ein bißchen zu betrügen. Aber nur zu!
Ich fürchte mich vor Ihnen nicht; und außerdem ist es mir jetzt ganz
gleichgültig, sollten Sie es glauben? Und ... und ... und da ich vor
allem überzeugt bin, daß Sie trotzdem ein vortrefflicher Mensch sind,
so werden wir möglicherweise wirklich am Ende Freundschaft miteinander
schließen. Sie haben mir sehr gefallen, Jewgeni Pawlowitsch; Sie ...
sind meiner Ansicht nach ein sehr anständiger Mensch!«
    »Nun, jedenfalls ist es sehr angenehm, mit Ihnen etwas zu tun zu
haben, mag es sein, was es will«, schloß Jewgeni Pawlowitsch. »Kommen
Sie, ich will ein Glas auf Ihre Gesundheit trinken; ich bin sehr
zufrieden, daß ich mich an Sie herangemacht habe. Ah!« unterbrach er
sich plötzlich. »Ist dieser Herr Ippolit vollständig zu Ihnen
übergesiedelt?«
    »Ja.«
    »Ich meine, er wird nicht so bald sterben.«
    »Wieso meinen Sie das?«
    »Ich denke es mir so; ich habe hier eine halbe Stunde in seiner Gesellschaft verbracht ...«
    Ippolit wartete diese ganze Zeit über auf den Fürsten und blickte
ununterbrochen nach ihm und Jewgeni Pawlowitsch hin, während die beiden
abseits standen und miteinander redeten. Er zeigte eine krankhafte
Lebhaftigkeit, als sie an den Tisch traten. Er war unruhig und
aufgeregt; der Schweiß war ihm auf die Stirn getreten. In seinen
funkelnden Augen kam außer einer dauernden unsteten Unruhe auch eine
unbestimmte Ungeduld zum Ausdruck; sein Blick irrte ziellos von einem
Gegenstand zum andern, von einer Person zur andern. Er hatte sich zwar
an dem gemeinsamen lärmenden Gespräch bisher stark beteiligt; aber sein
Eifer hatte etwas Fieberhaftes; im Grunde wendete er dem Gespräch wenig
Aufmerksamkeit zu; was er in der Debatte vorbrachte, war
unzusammenhängend und klang spöttisch; mit einer

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