Der Idiot
wollen, Terentjew«, sagte
Jewgeni Pawlowitsch lachend, »so würde ich an Ihrer Stelle nach all den
Komplimenten, die man Ihnen gemacht hat, mich nun gerade nicht
erschießen, um die Leute zu foppen.«
»Diese Menschen möchten alle furchtbar gern sehen, wie ich mich erschieße!« warf ihm Ippolit entgegen.
Er sprach, als wollte er auf alle losfahren.
»Und sie ärgern sich darüber, daß sie es nicht zu sehen bekommen.«
»Also glauben auch Sie nicht, daß ich es tun werde?«
»Ich will Sie nicht anstacheln; ich halte es im Gegenteil für gut
möglich, daß Sie sich erschießen werden. Vor allen Dingen werden Sie
nicht böse ...!« sagte Jewgeni Pawlowitsch langsam, indem er die Worte
in gönnerhafter Weise dehnte.
»Ich sehe erst jetzt, was für einen ungeheuren Fehler ich damit
begangen habe, daß ich Ihnen dieses Heft vorgelesen habe!« erwiderte
Ippolit und blickte Jewgeni Pawlowitsch auf einmal mit so
vertrauensvoller Miene an, als ob er einen Freund um einen
freundschaftlichen Rat bäte.
»Es ist eine komische Situation für Sie; aber ... ich weiß wirklich
nicht, was ich Ihnen raten soll«, antwortete Jewgeni Pawlowitsch
lächelnd.
Ippolit sah ihn mit unverwandten Augen ernst und starr an und
schwieg. Man konnte denken, daß er für eine Weile völlig
geistesabwesend war.
»Nein, erlauben Sie, was ist denn das für eine Art!« ereiferte sich
Lebedjew. »›Ich will mich im Park erschießen‹ sagt er, ›um niemanden zu
stören!‹ Er denkt wohl, daß er niemand stört, wenn er die Stufen
hinuntersteigt und drei Schritte weit in den Garten geht.«
»Meine Herren ...«, begann der Fürst.
»Nein, erlauben Sie, hochverehrter Fürst«, unterbrach ihn Lebedjew
wütend, »da Sie selbst sehen, daß das kein Scherz ist, und da
mindestens die Hälfte Ihrer Gäste der gleichen Meinung und der
bestimmten Überzeugung ist, daß er jetzt, nach allem hier Gesprochenen,
um der Ehre willen sich unter allen Umständen erschießen muß, so
erkläre ich als der Hausherr in Gegenwart dieser Zeugen, daß ich Sie
auffordere, mir behilflich zu sein!«
»Was sollen wir denn tun, Lebedjew? Ich bin gern bereit, Ihnen zu helfen.«
»Was geschehen muß, ist dies: erstens soll er sofort die Pistole
ausliefern, mit der er uns etwas vorgeprahlt hat, sowie das sämtliche
Zubehör. Wenn er das tut, so will ich in Anbetracht seines krankhaften
Zustandes damit einverstanden sein, daß er diese Nacht im Haus bleibt,
natürlich unter der Bedingung, daß er von mir beaufsichtigt wird.
Morgen aber muß er unter allen Umständen fort; da mag er gehen, wohin
es ihm beliebt; nehmen Sie es nicht übel, Fürst! Wenn er aber seine
Waffe nicht ausliefert, so werde ich ihn unverzüglich an den Armen
packen, ich am einen, der General am andern, und ich werde sofort zur
Polizei schicken und sie benachrichtigen; die wird dann schon das
Weitere veranlassen. Herr Ferdyschtschenko wird, als ein guter
Bekannter von mir, so freundlich sein hinzugehen.«
Ein großer Lärm erhob sich. Lebedjew war in eine Hitze geraten, die
bereits über alles Maß ging; Ferdyschtschenko machte sich fertig, um
zur Polizei zu gehen; Ganja verblieb ärgerlich bei seiner Behauptung,
es werde sich niemand erschießen. Jewgeni Pawlowitsch schwieg.
»Fürst, sind Sie einmal von einem Kirchturm hinabgestürzt?« flüsterte Ippolit ihm plötzlich zu.
»N-nein ...«, antwortete der Fürst naiv.
»Haben Sie etwa geglaubt, ich hätte diesen ganzen Haß nicht
vorhergesehen?« flüsterte Ippolit wieder und sah den Fürsten mit
funkelnden Augen an, als erwarte er tatsächlich von ihm eine Antwort.
»Nun genug!« rief er, indem er sich an alle Anwesenden wandte. »Ich bin
daran schuld ... in höherem Grade als Sie alle! Lebedjew, da ist der
Schlüssel« (er zog sein Portemonnaie heraus und entnahm ihm einen
Stahlring mit drei oder vier kleinen Schlüsseln); »dieser ist es, der
vorletzte ... Kolja wird es Ihnen zeigen ... Kolja! Wo ist Kolja?« rief
er; er starrte Kolja an, ohne ihn zu sehen. »Ja ... er wird es Ihnen
zeigen; er hat vorhin mit mir zusammen meinen Koffer gepackt. Führen
Sie ihn hin, Kolja; mein Koffer steht ... im Zimmer des Fürsten unter
dem Tisch ... mit diesem Schlüssel ... Unten im Koffer ... liegt meine
Pistole und das Pulverhorn. Er selbst hat diese Sachen vorhin
eingepackt, Herr Lebedjew; er wird sie Ihnen zeigen; aber unter der
Bedingung, daß Sie mir morgen früh, wenn ich nach Petersburg fahre, die
Pistole zurückgeben. Hören Sie wohl? Ich tue das
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