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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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(er
zeigte sie allen ringsherum); er habe vorher keines aufgesetzt aus
Besorgnis, der Schuß könne durch Zufall in der Tasche losgehen; er habe
damit gerechnet, daß er dazu auch später noch Zeit haben werde, sobald
es nötig sei, und habe es nun auf einmal vergessen. Er stürzte zum
Fürsten und zu Jewgeni Pawlowitsch hin und flehte Keller an, ihm die
Pistole zurückzugeben; er werde allen sofort beweisen, daß er »Ehre im
Leibe habe ...«, er sei jetzt »lebenslänglich entehrt«!
    Schließlich fiel er bewußtlos hin. Man trug ihn in das Zimmer des
Fürsten, und Lebedjew, der nun wieder ganz nüchtern geworden war,
schickte ohne Verzug zu einem Arzt; er selbst aber sowie seine Tochter,
sein Sohn, Burdowski und der General blieben am Bett des Kranken. Als
der bewußtlose Ippolit hinausgetragen war, stellte sich Keller mitten
in der Veranda hin und verkündete, so daß alle es hörten, in wirklicher
Begeisterung, indem er jedes Wort einzeln und deutlich aussprach:
    »Meine Herren, wenn jemand von Ihnen noch einmal laut in meiner
Gegenwart einen Zweifel daran äußern sollte, daß das Zündhütchen nur
zufällig vergessen war, und behaupten sollte, der unglückliche junge
Mensch habe nur Komödie gespielt, so wird der Betreffende es mit mir zu
tun haben.«
    Aber es antwortete ihm niemand. Die Gäste entfernten sich endlich in
einzelnen Trupps. Ptizyn, Ganja und Rogoschin gingen zusammen.
    Der Fürst war sehr erstaunt darüber, daß Jewgeni Pawlowitsch seine
Absicht geändert hatte und, ohne sich mit ihm ausgesprochen zu haben,
fortgehen wollte.
    »Sie wollten doch mit mir sprechen, sobald alle fortgegangen wären?« fragte er ihn.
    »Ganz richtig«, erwiderte Jewgeni Pawlowitsch, setzte sich auf einen
Stuhl und veranlaßte den Fürsten, sich neben ihn zu setzen; »aber ich
habe meine Absicht jetzt vorläufig geändert. Ich muß Ihnen bekennen,
daß ich etwas verwirrt bin, und Ihnen wird es wohl ebenso gehen. Meine
Gedanken sind mir ganz in Unordnung gekommen; zudem ist der Gegenstand,
über den ich mit Ihnen sprechen wollte, für mich sehr wichtig, und auch
für Sie. Sehen Sie, Fürst, ich möchte wenigstens einmal in meinem Leben
ganz ehrlich handeln, das heißt ganz ohne Hintergedanken; nun, ich
glaube aber, daß ich jetzt, in diesem Augenblick, einer ganz ehrlichen
Handlung nicht fähig bin, und Sie vielleicht auch nicht ... ja ... und
... nun, wir wollen uns also später miteinander aussprechen. Vielleicht
gewinnt auch die Sache sowohl für mich als auch für Sie an Klarheit,
wenn wir noch die drei Tage warten, während deren ich jetzt in
Petersburg sein werde.«
    Darauf stand er wieder vom Stuhl auf, so daß es nicht recht
verständlich war, warum er sich überhaupt hingesetzt hatte. Der Fürst
hatte auch den Eindruck, als ob Jewgeni Pawlowitsch unzufrieden und
gereizt sei und ihn feindselig ansehe, und daß in seinem Blick etwas
ganz anderes liege als vorher.
    »Apropos, Sie gehen jetzt zu dem Kranken?«
    »Ja ... ich bin um ihn besorgt«, erwiderte der Fürst.
    »Seien Sie unbesorgt; er wird gewiß noch sechs Wochen leben und sich
vielleicht hier noch ganz erholen. Aber das beste wäre, wenn Sie ihn
morgen wegjagten.«
    »Ich habe ihn vielleicht wirklich dadurch verletzt, daß ich nichts
gesagt habe; er hat schließlich gedacht, ich zweifelte daran, daß er
sich erschießen werde. Wie denken Sie darüber, Jewgeni Pawlowitsch?«
    »Nein, nein. Sie sind zu gutherzig, daß Sie sich um ihn noch Sorge
machen. Ich habe wohl sagen hören, aber nie in natura gesehen, daß sich
jemand absichtlich deswegen erschießt, um gelobt zu werden, oder aus
Ärger darüber, daß man ihn deswegen nicht lobt. Vor allen Dingen hätte
ich eine solche offene Kundgebung der eigenen Schwachmütigkeit nicht
für möglich gehalten! Aber ich möchte Ihnen doch raten, ihn morgen
wegzujagen.«
    »Sie glauben, daß er noch einmal auf sich schießen wird?«
    »Nein, jetzt wird er sich nicht mehr erschießen. Aber nehmen Sie sich vor diesen einheimischen Lacenaires 1 in
acht! Ich wiederhole Ihnen: diese talentlose, ungeduldige, begehrliche
Nichtigkeit nimmt sehr gewöhnlich ihre Zuflucht zum Verbrechen.«
    »Ist er etwa ein Lacenaire?«
    »Dem eigentlichen Wesen nach ja, wiewohl die theatralischen Rollen
vielleicht verschieden sind. Achten Sie einmal darauf, ob dieser Herr
nicht imstande ist, ein Dutzend Menschen abzuschlachten, bloß um einen
auffallenden Streich zu begehen, genau so, wie er uns das selbst vorhin
in seiner Erklärung

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