Der Idiot
unverwandt darauf.
Ganja stand mit finsterer Miene da und erwartete mit innerlicher
Unruhe eine Familienszene. Sich dem Fürsten gegenüber zu entschuldigen,
kam ihm gar nicht in den Sinn.
»Wenn alles erledigt ist, hat Iwan Petrowitsch natürlich recht«,
sagte Nina Alexandrowna. »Bitte, mach kein so böses Gesicht, Ganja, und
ärgere dich nicht; ich werde nie etwas herauszubekommen suchen, was du
nicht von selbst sagen magst, und ich versichere dir, daß ich mich
vollständig darein gefügt habe; tu mir den Gefallen und beunruhige dich
nicht!«
Sie sagte das, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen und, wie es schien,
wirklich ganz ruhig. Ganja war erstaunt, schwieg aber vorsichtigerweise
und sah seine Mutter an, in der Erwartung, daß sie sich deutlicher
aussprechen werde. Häusliche Szenen hatten ihm schon gar zu viel
Verdruß gemacht. Nina Alexandrowna bemerkte diese vorsichtige
Zurückhaltung und fügte mit bitterem Lächeln hinzu:
»Du zweifelst immer noch und glaubst mir nicht; beunruhige dich
nicht: es wird keine Tränen und keine Bitten mehr geben wie früher,
wenigstens nicht von meiner Seite. Alles, was ich wünsche, ist, daß du
glücklich sein möchtest, und das weißt du; ich habe mich in mein
Schicksal gefunden, und mein Herz wird immer voll Liebe für dich sein,
ob wir nun zusammenbleiben oder uns trennen. Selbstverständlich rede
ich nur in meinem eigenen Namen; von deiner Schwester kannst du nicht
dasselbe verlangen ...«
»Ah, immer wieder sie!« rief Ganja, indem er seiner Schwester einen
spöttischen, haßerfüllten Blick zuwarf. »Liebe Mama, ich schöre Ihnen
nochmals, worauf ich Ihnen schon früher mein Wort gegeben habe: nie
soll jemand wagen, sich gegen Sie zu vergehen, solange ich hier bin,
solange ich am Leben bin. Um wen es sich auch handeln mag, ich werde
stets darauf bestehen, daß jeder, der unsere Schwelle überschreitet,
Ihnen mit der größten Ehrerbietung begegnet ...«
Ganja freute sich so, daß er seine Mutter fast mit versöhnlichen, zärtlichen Blicken ansah.
»Ich habe auch nie etwas für meine eigene Person befürchtet, Ganja;
das weißt du. Nicht um meinetwillen habe ich mich diese ganze Zeit über
beunruhigt und gequält. Es heißt, heute wird zwischen euch alles
erledigt werden? Was wird denn erledigt werden?«
»Sie hat versprochen, heute abend bei sich zu Hause sich darüber zu erklären, ob sie einwilligt oder nicht«, antwortete Ganja.
»Wir haben es fast drei Wochen lang vermieden, davon zu sprechen,
und das war auch das beste. Jetzt, da alles erledigt ist, möchte ich
mir nur die eine Frage erlauben: wie konnte sie dir ihre Einwilligung
geben und dir sogar ihr Bild schenken, wenn du sie nicht liebst? Hast
du denn wirklich sie, eine so ... so ...«
»Nun, sagen wir: eine so erfahrene Person ...«
»Ich wollte mich anders ausdrücken. Hast du sie denn wirklich bis zu dem Grade verblenden können?«
Aus dieser Frage klang auf einmal eine große Gereiztheit heraus.
Ganja stand eine Weile da und überlegte; dann sagte er mit
unverhohlenem Spott:
»Sie haben sich hinreißen lassen, Mama, und sich wieder einmal nicht
beherrschen können. In der Art fangen bei uns immer alle Gespräche an
und werden dann hitzig. Sie sagten, es werde keine Fragen und keine
Vorwürfe geben, und nun haben sie doch schon wieder angefangen! Lassen
wir dergleichen lieber weg; wirklich, lassen wir es weg; auch Sie haben
es ja wenigstens beabsichtigt ... Ich werde Sie nie und um keinen Preis
verlassen; ein andrer würde vor einer solchen Schwester allermindestens
davonlaufen – da, sehen Sie nur, wie sie mich eben anblickt! Hören wir
davon auf! Ich freute mich schon so ... Und woher wissen Sie, daß ich
Nastasja Filippowna täusche? Und was Warja anlangt, so kann sie tun,
was sie will; basta! Na, nun aber genug hiervon.«
Ganja war bei jedem Wort hitziger geworden und ging nun unruhig im
Zimmer umher. Solche Gespräche nahmen immer eine derartige Wendung, daß
sie bei allen Familienmitgliedern einen wunden Punkt berührten.
»Ich habe gesagt, wenn sie hier einzieht, ziehe ich von hier fort, und ich werde ebenfalls Wort halten«, erklärte Warja.
»Aus Eigensinn!« rief Ganja. »Aus Eigensinn willst du auch nicht
heiraten! Warum fauchst du mich so an? Ich mache mir aus Ihnen nicht
das geringste, Warwara Ardalionowna; wenn es Ihnen beliebt, mögen Sie
Ihre Absicht sofort zur Ausführung bringen. Ich bin Ihrer schon recht
überdrüssig. Wie! Sie entschließen sich endlich, uns allein zu
Weitere Kostenlose Bücher