Der Idiot
Abschiedsblick der Liebe.‹
Hahaha!« Er brach plötzlich in ein krampfhaftes Lachen aus und bekam einen Hustenanfall. »Beachten Sie auch«, fuhr er während des Hustens mit heiserer Stimme fort, »was für ein Mensch dieser Ganja ist: er redet vom abgenagten Knochen, und was ist das, woran er sich jetzt delektieren möchte, anderes als ein solcher?«
Der Fürst schwieg lange; er war sehr erschrocken.
»Sie sprachen von einer Zusammenkunft mit Nastasja Filippowna?« murmelte er endlich.
»Ei, ist Ihnen denn das wirklich nicht bekannt, daß heute eine Zusammenkunft Aglaja Iwanownas mit Nastasja Filippowna stattfinden wird, zu welchem Zweck Nastasja Filippowna expreß durch Rogoschin, auf Aglaja Iwanownas Einladung hin und infolge meiner Bemühungen, brieflich aus Petersburg herberufen ist, und daß sie sich jetzt, ebenso wie Rogoschin selbst, gar nicht weit von Ihnen in ihrer früheren Wohnung befindet, bei jener Dame, Darja Alexejewna heißt sie, einer sehr zweideutigen Dame, ihrer Freundin, und daß ebendorthin, in dieses zweideutige Haus, sich heute auch Aglaja Iwanowna zu einem freundschaftlichen Gespräch mit Nastasja Filippowna und zur Lösung verschiedener schwieriger Aufgaben begeben wird? Die beiden wollen sich wohl mit Mathematik beschäftigen. Das haben Sie nicht gewußt? Ehrenwort?«
»Das ist unglaublich!«
»Na, das ist ja schön, wenn es unglaublich ist. Übrigens, woher hätten Sie es auch wissen sollen? Allerdings, wenn hier auch nur eine Fliege vorbeifliegt, so wird das gleich allgemein bekannt; so ein Nest ist Pawlowsk! Aber ich wollte Ihnen doch vorher davon Mitteilung machen, und Sie können mir dankbar sein. Nun, auf Wiedersehen ... wahrscheinlich in jener Welt. Und noch eins: ich habe mich zwar Ihnen gegenüber gemein benommen; aber sagen Sie freundlichst selbst: warum hätte ich meine Chancen verlieren sollen? Etwa zu Ihrem Vorteil? Ich habe ihr ja meine Beichte gewidmet (wußten Sie das nicht?). Und wie hat sie diese Widmung aufgenommen! Hehe! Aber ihr gegenüber habe ich mich nicht gemein benommen; ihr gegenüber habe ich mir nichts zuschulden kommen lassen; und doch hat sie mich beschimpft und verhöhnt ... Übrigens habe ich mich auch Ihnen gegenüber nicht schuldig gemacht; wenn ich auch zu ihr das von dem abgenagten Knochen und noch manches in diesem Genre gesagt habe, so teile ich Ihnen doch zum Entgelt jetzt Tag, Stunde und Ort der Zusammenkunft mit und decke dieses ganze Spiel auf ... selbstverständlich aus Ärger und nicht aus Edelmut. Verzeihen Sie, ich bin redselig wie ein Stotterer oder wie ein Schwindsüchtiger. Seien Sie also auf Ihrer Hut und ergreifen Sie baldigst die erforderlichen Maßregeln, wenn anders Sie den Namen Mensch verdienen! Die Zusammenkunft findet heute abend statt; das ist sicher.« Ippolit ging zur Tür; aber der Fürst rief ihm nach, und er blieb in der Tür stehen.
»Also Aglaja Iwanowna wird Ihrer Ansicht nach heute selbst zu Nastasja Filippowna gehen?« fragte der Fürst.
Auf seinen Wangen und auf seiner Stirn traten rote Flecke hervor.
»Genau weiß ich es nicht; aber wahrscheinlich wird es so sein«, antwortete Ippolit, sich halb umwendend. »Es kann ja übrigens auch nicht anders sein. Nastasja Filippowna kann doch nicht zu ihr kommen? Und bei Ganja ist es auch unmöglich; der hat ja fast einen Toten bei sich in der Wohnung. Wie geht es denn dem General?«
»Schon aus
einem
Grund ist es unmöglich!« rief der Fürst. »Wie kann sie denn dort hingehen, selbst wenn sie es wollte? Sie kennt die Sitten in dieser Familie nicht; sie kann nicht allein zu Nastasja Filippowna hingehen. Das ist Unsinn!«
»Sehen Sie mal, Fürst: für gewöhnlich springt niemand aus dem Fenster; aber wenn eine Feuersbrunst ausbricht, dann springen am Ende auch der vornehmste Gentleman und die vornehmste Dame aus dem Fenster. Wenn es nötig ist, dann ist eben nichts zu machen, und unser Fräulein geht zu Nastasja Filippowna. Oder verwehrt man es etwa Ihrem Fräulein überhaupt auszugehen?«
»Nein, das nicht ...«
»Nun, wenn das nicht der Fall ist, dann braucht sie nur die Stufen vor der Haustür hinabzusteigen und geradewegs hinzugehen, nötigenfalls unter Verzicht auf die Rückkehr nach Hause. Es gibt manchmal Fälle, in denen man die Schiffe hinter sich verbrennt und sich die Rückkehr nach Hause benimmt; das Leben besteht doch nicht allein aus Dejeuners und Diners und Männern wie Fürst Schtsch. Mir scheint, Sie halten Aglaja Iwanowna für ein Modedämchen
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