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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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die kleinen Jungen und Mädchen miteinander dahinrannten, wie sie lachten und weinten (denn viele hatten auf dem Wege von der Schule nach Haus schon Zeit gefunden, sich zu prügeln, zu heulen, sich wieder zu versöhnen und weiterzuspielen), und ich vergaß dann meinen ganzen Kummer. Später, während dieser ganzen drei Jahre, konnte ich gar nicht begreifen, weshalb die Menschen sich überhaupt grämen. Mein ganzes Dasein drehte sich um die Kinder. Ich nahm gar nicht in Aussicht, das Dorf jemals wieder zu verlassen, und es kam mir nicht in den Sinn, daß ich einmal wieder hierher nach Rußland fahren würde. Ich meinte, ich würde immer dort bleiben; aber ich sah schließlich ein, daß Schneider doch nicht länger die Unterhaltskosten für mich tragen konnte. Und dann kam eine so wichtige Sache hinzu, daß Schneider mich selbst zum Reisen drängte und mir das Fahrgeld zur Reise nach hier gab. Ich will nun sehen, was eigentlich vorliegt, und jemand um Rat fragen. Vielleicht wird sich mein äußeres Schicksal vollständig ändern, aber das ist nicht so wichtig und nicht die Hauptsache. Die Hauptsache ist, daß sich bereits mein ganzes Leben geändert hat. Ich habe dort viel verlassen, sehr viel. Alles ist entschwunden. Ich saß im Zuge und dachte: ›Jetzt gehe ich zu den Menschen; ich verstehe vielleicht noch nichts davon, aber es hat ein neues Leben für mich begonnen.‹ Ich nahm mir vor, meine Aufgabe redlich und standhaft zu erfüllen. Ich werde mich im Verkehr mit den Menschen vielleicht unbehaglich und bedrückt fühlen. Ich habe mir vorgenommen, von vornherein gegen alle höflich und offen zu sein; mehr wird ja doch niemand von mir verlangen. Vielleicht werden mich die Leute hier auch für ein Kind halten, nun, meinetwegen! Es halten mich auch alle, ich weiß nicht warum, für einen Idioten, und ich war tatsächlich einmal so krank, daß ich damals mit einem Idioten Ähnlichkeit hatte, aber wie kann ich jetzt ein Idiot sein, da ich doch selbst begreife, daß man mich für einen Idioten hält? Wenn ich so in ein Zimmer trete, denke ich: ›Da halten mich nun die Leute für einen Idioten, und ich bin doch verständig, aber sie merken das nicht einmal ...‹ Dieser Gedanke kommt mir oft. Als ich in Berlin aus meinem Dörfchen ein paar kleine Briefe erhielt, die die Kinder sich beeilt hatten sogleich an mich zu schreiben, da empfand ich erst so ganz, wie lieb ich sie hatte. Es ist ein sehr schmerzliches Gefühl, wenn man den ersten Brief bekommt! Wie betrübt sie waren, als sie mir bei meiner Abreise das Geleit gaben! Schon einen Monat vorher sagten sie häufig: ›Léon s'en va, Léon s'en va pour toujours!‹ Wir kamen wie früher jeden Abend am Wasserfall zusammen und sprachen immer von unserer bevorstehenden Trennung. Mitunter ging es ebenso heiter zu wie vorher, aber wenn sie dann von mir Abschied nahmen, um schlafen zu gehen, umarmten sie mich fest und herzlich, was sie früher nicht getan hatten. Manche kamen heimlich, ohne daß es die andern merkten, ganz allein zu mir gelaufen, nur um mich allein, nicht vor aller Augen, zu umarmen und zu küssen. Als es so weit war, daß ich mich auf den Weg machen mußte, begleitete mich der ganze Schwarm zum Bahnhof, der von unserem Dorf ungefähr eine Werst entfernt lag. Sie nahmen sich zusammen, um nicht zu weinen, aber viele konnten sich doch nicht beherrschen und weinten laut, namentlich die Mädchen. Wir beeilten uns, um nicht zu spät zu kommen, aber unterwegs kam doch bald dieser, bald jener aus dem Haufen zu mir hingestürzt, umschlang mich mit seinen kleinen Ärmchen und küßte mich, obgleich er dadurch den ganzen Trupp aufhielt; aber obgleich wir es eilig hatten, blieben doch alle stehen und warteten, bis er Abschied genommen hatte. Als ich in den Wagen gestiegen war und sich der Zug in Bewegung setzte, schrien sie alle ›Hurra!‹ und standen noch lange, bis der Zug ganz abgefahren war. Und auch ich blickte nach ihnen zurück ... Wissen Sie, als ich vorhin hier eintrat und Ihre lieben Gesichter sah – ich achte jetzt sehr auf die Gesichter – und Ihre ersten Worte hörte, da wurde mir zum ersten Male seit jener Zeit leicht ums Herz. Ich sagte mir vorhin schon, daß ich vielleicht geradezu ein Glückskind bin; ich weiß ja, daß man nicht erwarten kann, so bald solche Menschen zu treffen, die man sofort liebgewinnt, und nun habe ich Sie, kaum daß ich von der Bahn gekommen bin, sogleich getroffen. Ich weiß sehr wohl, daß sich alle Leute schämen, von ihren

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