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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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hell wurde, und begab mich dann sofort um sieben Uhr zu Trepalow. ›Soundso, hast du Kamelien? Väterchen, teuerster Wohltäter, hilf mir, rette mich, ich verbeuge mich vor dir bis zum Erdboden!‹ Er war, wie ich sah, ein hochgewachsener, grauhaariger, finsterer alter Mann; ein furchtbar strenges Gesicht machte er. ›Nein, nein, unter keinen Umständen, das tu ich nicht!‹ Ich warf mich ihm batz! zu Füßen! Lang auf dem Boden streckte ich mich aus! ›Was tun Sie, mein Verehrtester, was tun Sie da?‹ rief er erschrocken. – ›Es handelt sich hier um ein Menschenleben!‹ schrie ich. – ›Wenn's so ist, dann nehmen Sie sie in Gottes Namen!‹ Da schnitt ich mir also rote Kamelien ab! Wundervolle, zauberhafte Blumen, er hatte ein ganzes kleines Treibhaus voll. Der Alte seufzte schwer dabei. Ich nehme hundert Rubel heraus. ›Nein, bester Herr, Sie werden mich doch nicht so kränken wollen.‹ – ›Nun, wenn's so steht, Verehrtester, so nehmen Sie diese hundert Rubel für das hiesige Krankenhaus zur Verbesserung der Unterkunft und Verpflegung!‹ – ›Das ist etwas anderes, lieber Herr!‹ sagte er. ›Das ist ein gutes, edles, gottgefälliges Werk; ich werde das Geld in Ihrem Namen abliefern.‹ Wissen Sie, er gefiel mir wirklich, dieser alte Russe, sozusagen ein Stockrusse, de la vraie souche. Ganz entzückt, daß es mir so gut gelungen war, machte ich mich sogleich auf den Heimweg; wir fuhren in einem Bogen zurück, um Petja nicht zu begegnen. Als ich ankam, gab ich die Blumen ab, damit sie der Hausfrau gleich bei ihrem Erwachen überreicht würden. Sie können sich ihr Entzücken, ihre Dankbarkeit, ihre Tränen der Dankbarkeit vorstellen! Platon, der tags zuvor noch tiefunglücklich und halbtot gewesen war, Platon schluchzte nun an meiner Brust. So geht es ja leider allen Ehemännern seit der Erschaffung... der legitimen Ehe! Ich habe nichts weiter hinzuzufügen, als daß die Aussichten des armen Petja durch diesen Vorfall völlig zerstört waren. Ich dachte anfangs, er würde mich umbringen, sowie er den Hergang erführe, und traf für die Begegnung mit ihm schon alle Vorkehrungen, aber die Sache entwickelte sich in einer Weise, die ich nicht erwartet hatte: er fällt in Ohnmacht, am Abend phantasiert er, am nächsten Morgen hohes Fieber, er heult wie ein kleines Kind, bekommt Krämpfe. Als er einen Monat darauf wiederhergestellt war, ließ er sich nach dem Kaukasus versetzen; es wurde ein richtiger Roman! Schließlich fiel er auf der Krim. Damals war noch sein Bruder Stepan Worchowskoi Kommandeur des Regiments und zeichnete sich als solcher aus. Ich muß gestehen, ich habe noch viele Jahre nachher Gewissensbisse verspürt: warum, zu welchem Zweck habe ich so schlecht an ihm gehandelt? Wenn ich damals selbst verliebt gewesen wäre! Aber so; war es einfach ein dummer Streich, um einer Dame ein bißchen den Hof zu machen, weiter nichts. Und hätte ich ihm diesen Strauß nicht weggefischt, wer weiß, der Mensch lebte vielleicht heute noch und wäre glücklich und hätte es zu etwas gebracht und wäre nie auf den Gedanken gekommen, gegen die Türken zu ziehen.«
    Afanassij Iwanowitsch hörte jetzt mit derselben ruhigen Würde auf zu sprechen, mit der er seine Erzählung begonnen hatte.
    Man bemerkte, daß, als Afanassij Iwanowitsch schwieg, Nastasja Filippownas Augen in einer ganz besonderen Weise zu funkeln und sogar ihre Lippen zu zittern anfingen. Alle blickten die beiden gespannt an.
    »Sie haben Ferdyschtschenko geprellt! Nein, wie haben Sie mich geprellt! Das ist zu arg!« rief Ferdyschtschenko weinerlich, da er sich sagte, daß er jetzt eine Bemerkung machen könne und müsse.
    »Warum verstehen Sie Ihre Sache nicht besser? Lernen Sie jetzt von klugen Leuten!« versetzte ihm Darja Alexejewna »Er wird dabei wohl nach den fünfundsiebzigtausend Rubeln trachten, nicht wahr?« unterbrach ihn Nastasja Filippowna. »Das wollten Sie doch sagen? Bestreiten Sie es nicht, das wollten Sie sicherlich sagen! Afanassij Iwanowitsch, ich vergaß hinzuzufügen: behalten Sie die fünfundsiebzigtausend Rubel, und erfahren Sie, daß ich Sie umsonst freilasse! Lassen wir es jetzt genug sein! Sie müssen doch auch endlich wieder frei atmen! Neun Jahre und drei Monate! Morgen beginnt für mich ein neues Leben, aber heute bin ich Geburtstagskind und meine eigene Herrin, zum erstenmal in meinem ganzen Leben! General, nehmen auch Sie Ihren Perlenschmuck zurück; schenken Sie ihn Ihrer Gemahlin, da ist er. Und morgen

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