Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
Systems von Kontrolle und Ausgewogenheit. Die Legislative der Regierung, die wesentlich aktiver die vorherrschenden Ansichten eines viel größeren Spektrums der Politik widerspiegelt als irgendein eingefleischter Zweig der Exekutive oder die auf Lebenszeit übertragene richterliche Gewalt, muß in sich selbst handlungsfähig sein und in all den hundertfältigen Fragen, die an sie herangetragen werden, zu einer Übereinstimmung gelangen. Dieser Prozeß ist offenkundig frustrierend, oft zum Verzweifeln, aber im allgemeinen fair. Wenn der Kompromiß die Kunst der Regierungsform einer pluralistischen Gesellschaft ist, dann versteht sich niemand besser und unter schwierigeren Umständen auf
diese Kunst als die Legislative der Regierung der Vereinigten Staaten mit ihren unzähligen, oft unerträglichen und oft lächerlichen Ausschüssen und Komitees. Eine pluralistische Gesellschaft ist für Möchtegern-Tyrannen tatsächlich unerträglich und fast immer lächerlich in den Augen jener, die den Bürgern gern ihren Willen aufzwingen möchten. Eines Menschen Moral darf nie über den Umweg einer Ideologie für einen anderen Menschen zur Legalität werden, und wenn es viele in der Exekutive und viele Richter noch so gern sähen. Aber trotz mancher, wenn auch seltener, aber dennoch unverzeihlicher Abweichungen von diesem Grundsatz wird doch meist auf die ›Stimme des Volkes< gehört, und das tut dem Land sehr gut.
Es gibt auf dem Kapitol jedoch auch einige Ausschüsse, die stets zurückhaltend bleiben, weil Logik und Notwendigkeit es ihnen nahelegen. Es sind kleine, absoluter Geheimhaltung unterliegende Gremien, die sich auf die Strategien der verschiedenen Nachrichtendienste innerhalb der Regierung konzentrieren. Und vielleicht, weil sie immer unauffällig im Hintergrund bleiben und ihre Mitglieder mit strengsten Sicherheitsverfahren auf Herz und Nieren geprüft werden, umgibt jene ›Auserwählten< in den elitären Ausschüssen eine besondere Aura. Sie wissen Dinge, die andere weniger Privilegierte nicht wissen dürfen; sie sind anders, sind – Männer und Frauen – höherstehende Menschen. Zwischen dem Kongreß und den Medien besteht auch eine stillschweigende Übereinkunft, daß über die Arbeit dieser Ausschüsse – wenn überhaupt – nur sehr zurückhaltend berichtet wird. Wird ein Senator oder Abgeordneter in einen dieser Ausschüsse berufen, wird seine oder ihre Ernennung nicht zu einer cause célèbre. Die Berufung wird bekanntgegeben, der Grund genannt, aber ganz schlicht und ohne Ausschmückung. Im Fall des Repräsentanten des neunten Wahlbezirks in Colorado, eines gewissen Abgeordneten Evan Kendrick, erfuhr die Öffentlichkeit, daß er Bauingenieur mit genauer Kenntnis des Nahen Ostens und besonders des Persischen Golfs war. Da nur wenige etwas über diese Gebiete wußten und es feststand, daß der Abgeordnete vor Jahren dort gearbeitet hatte, wurde die Berufung als logisch und vernünftig hingenommen, und niemand fand etwas Ungewöhnliches daran.
Doch sind Leitartikler, Kommentatoren und Politiker sehr hellhörig, wenn es um Nuancen wachsender Erkenntnis geht,
denn Erkenntnis ist im Distrikt von Columbia die Mutter der Macht. Es gibt solche und solche Ausschüsse. Jemand, der zu Indian Affairs berufen wird, gehört nicht zur gleichen Klasse wie ein anderer, der bei Ways and Means mitarbeitet; ersterer tut ein Minimum, um einem vergessenen, entrechteten Volk zu helfen; letzterer erforscht die Methoden und Verfahren, die dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit der Regierung zu gewährleisten. Auch ist Environment dem Ausschuß Armed Services nicht gleichgestellt; die Budgets des einen werden ständig auf beschämendste Weise beschnitten, während die Ausgaben für Waffensysteme geradezu astronomisch sind. Die Zuweisung der Gelder ist das A und O. Viel Geld bedeutet großen Einfluß. Doch ganz einfach gesagt: Wenige Ausschüsse können es mit dem Nimbus jener aufnehmen, die der verborgenen Welt der Geheimdienste angehören. Wenn plötzlich jemand in diese elitären Gremien berufen wird, hält man die Augen offen, Kollegen flüstern in Garderobenräumen, und die Medien lauern vor Wortprozessoren, mit Mikrofonen und Kameras. Gewöhnlich bleiben diese Vorbereitungen ergebnislos, und die Namen versinken in Vergessenheit. Jedoch nicht immer, und hätte Evan Kendrick von diesen Spitzfindigkeiten etwas geahnt, hätte er es vielleicht riskiert, dem listigen Vorsitzenden zu sagen, er solle sich zum Teufel
Weitere Kostenlose Bücher