Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
das Wochenende in einem dieser abgeschotteten Häuser in Maryland unterzubringen.«
»Was, zum Teufel, ist ein abgeschottetes Haus? Bitte bedienen Sie sich einer Sprache, die ich verstehe.«
»Lassen Sie es mich so ausdrücken: Sie sind Gast des Präsidenten der Vereinigten Staaten in einem unauffindbaren Haus, das für Leute reserviert ist, die nicht gefunden werden sollen. Das deckt sich mit meiner Meinung, daß Jennings es sein sollte, der die ersten öffentlichen Erklärungen über Sie abgibt. Sie sind hier gesehen worden, und die Öffentlichkeit wird davon erfahren – so sicher, wie Kaninchen Junge kriegen.«
»Sie schreiben das Szenarium. Was sagen wir – was sagen Sie, wenn Sie gefragt werden, warum man mich isoliert hat?«
»Das ist einfach. Uns, und ganz besonders dem Präsidenten, liegt, nachdem er sich mit unseren Antiterror-Experten beraten hat, vor allem Ihre Sicherheit am Herzen. Nur keine Sorge, unseren Schreiberlingen wird schon was einfallen, das die Frauen dazu bringt, in ihre Taschentücher zu weinen, und die Männer so anheizt, daß sie am liebsten in einer Parade mitmarschieren würden. Und da Jennings in diesen Dingen das Sagen hat, wird er sich garantiert als den mächtigen Ritter der Tafelrunde darstellen, der sich um einen tapferen jüngeren Bruder sorgt, nachdem der eine gefährliche gemeinsame Mission erfolgreich beendet hat. Scheiße!«
»Und wenn an der Vergeltungstheorie was dran ist, macht mich das zur Zielscheibe«, fügte Kendrick hinzu.
»Das wäre ein Lichtblick«, meinte Dennison und nickte zufrieden.
»Rufen Sie mich an, wenn Sie etwas über Adrienne Raschad in Erfahrung gebracht haben.«
Kendrick saß im Arbeitszimmer des eindrucksvollen abgeschotteten Hauses in der Gemeinde Cynwid Hollow am Oststrand von Maryland. Er hatte es sich in einem tiefen Ledersessel bequem gemacht und sich zum drittenmal die Videoaufnahme von Jennings’ überraschend einberufener Pressekonferenz über einen gewissen Kongreßabgeordneten Evan Kendrick aus Colorado angesehen. In dem von Scheinwerfern erleuchteten Garten patrouillierten Posten mit schußbereiten Gewehren.
Die Pressekonferenz war noch viel schrecklicher verlaufen, als Dennison prophezeit hatte – voller herzerweichender Pausen, die jeweils von einem lange vor dem Spiegel geprobten Lächeln ausgefüllt wurden, hinter dem Stolz und Tränen des Lächelnden deutlich sichtbar wurden. Wieder einmal beschränkte der Präsident sich auf Gemeinplätze – außer in einer Beziehung: »Bis die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden, habe ich den Kongreßabgeordneten Evan Kendrick, einen Mann, auf den wir alle stolz sind, gebeten, sich zurückzuziehen und nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen. Und im Zusammenhang mit dieser Maßnahme spreche ich eine ernste Warnung aus. Sollten Terroristen je versuchen, sich an Leib und Leben meines guten Freundes zu vergreifen, der mir nahesteht wie ein jüngerer Bruder, wird das Gebiet, in dem sie ihr Unwesen treiben, gezielt die ganze Macht der Vereinigten Staaten zu fühlen bekommen – zu Lande, zu Wasser und in der Luft...«
Gezielt! O mein Gott!
Ein Telefon klingelte. Kendrick sah sich um und entdeckte den Apparat auf dem Schreibtisch. Er schwang die Beine vom Hocker und begab sich zu dem Störenfried. »Ja?«
»Sie fliegt mit einer Militärmaschine in Begleitung eines Attachés von der Botschaft in Kairo. In der Passagierliste wird sie als seine Sekretärin geführt, der Name tut nichts zur Sache. Die geschätzte Ankunftszeit ist sieben Uhr morgens unserer Zeit. Also müßte sie spätestens um zehn in Maryland sein.«
»Was weiß sie?«
»Nichts.«
»Sie mußten ihr doch etwas sagen«, blieb Kendrick hartnäckig.
»Man hat ihr zu verstehen gegeben, es handle sich um neue, wichtige Instruktionen der Regierung – Instruktionen, die sie nur hier entgegennehmen könne.«
»Und den Unsinn hat sie euch abgekauft?«
»Es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie wurde in ihrer Kairoer Wohnung abgeholt und seither in Gewahrsam gehalten. Ich wünsche Ihnen eine miserable Nacht, Sie Dreckskerl.«
»Herzlichen Dank, Herbie.« Kendrick legte auf. Einerseits erleichtert, andererseits nicht ohne Angst vor der ihm am nächsten Morgen bevorstehenden Konfrontation mit der Frau, die er unter dem Namen Kalaila kennengelernt, einer Frau, die er in
einem Zustand verzweifelter Angst und Erschöpfung leidenschaftlich umarmt hatte. Dieser impulsive Akt und die Verzweiflung, die dazu geführt
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