Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
geheimsten Archive knackt. Er oder sie haben in Ihrem Fall nicht mehr gebraucht als einen Namen – Ihren Namen, und Menschen in Maskat und Bahrein müssen für ihr Leben fürchten. Wie viele Namen werden folgen? Wie viele Geheimnisse platzen?«
Kendrick griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Warum helfen Sie mir nicht, wenn Sie das befürchten?«
»Ihnen helfen?«
»Ich muß wissen, wer das mit mir macht, und ich muß wissen, wer es ihm ermöglicht. Das ist doch auch in Ihrem Interesse. Ich habe Dennison so fest im Griff, daß er sich nicht rauswinden kann, und ich kann Ihnen vom Weißen Haus das Papier beschaffen, das Ihnen erlaubt, hierzubleiben – und niemand würde erfahren, daß die Sache manipuliert ist. Er würde sogar mit Freuden mitspielen, wenn er die Möglichkeit sähe, die undichte Stelle zu finden. Das ist bei ihm zu einer wahren Besessenheit geworden.«
Kalaila runzelte die Stirn. »So geht es nicht. Außerdem würde ich mich hier fremd fühlen. Ich bin in meiner eigenen Umgebung top, holt man mich aber aus meinem Element heraus, dem arabischen Element, bin ich nicht mehr erstklassig.«
»Erstens«, erwiderte Kendrick, »sind Sie das meiner Meinung nach sehr wohl, weil Sie mir das Leben gerettet haben und ich mein Leben für ziemlich wichtig halte. Zweitens haben Sie, wie gesagt, Kenntnisse, die ich nicht besitze. Sie kennen die Methoden, den Jargon, der mir manchmal völlig unverständlich ist, obwohl ich als Mitglied des Select Committee on Intelligence einige Wendungen schon gehört habe. Was sie bedeuten, weiß ich allerdings immer noch nicht. Sie, meine Dame, wissen sogar, was die ›Keller‹ sind, während ich in meiner Ahnungslosigkeit immer glaubte, Keller seien die Fundamente der Häuser in Vorstadtsiedlungen, die ich Gott sei Dank nie bauen mußte.«
Adrienne Raschads dunkle Augen forschten kühl in den seinen. »Ich könnte Ihnen helfen, aber es ist möglich, daß Sie dann manchmal tun müssen, was ich Ihnen sage. Können Sie sich damit abfinden?«
»Ich bin nicht wild darauf, von Brücken oder hohen Gebäuden zu springen...«
»Es würde sich auf das beschränken, was Sie zu bestimmten Leuten sagen müssen. Manchmal könnte ich Ihnen vielleicht nicht erklären, warum ich das oder jenes tue. Könnten Sie das akzeptieren?«
»Ja. Weil ich Sie beobachtet, Ihnen zugehört habe – und Ihnen vertraue.«
»Danke.« Sie drückte ihm die Hand und ließ sie los. »Ich muß auch jemanden mitbringen.«
»Warum?«
»Weil es nötig ist. Ich brauche eine zeitlich begrenzte Versetzung in die Staaten, und er kann sie mir besorgen, ohne eine Erklärung geben zu müssen. Vergessen Sie das Weiße Haus, das ist zu gefährlich, zu unsicher. Zweitens könnte er auf Gebieten helfen, die weit außerhalb meiner Möglichkeiten liegen.«
»Wer ist er?«
»Mitchell Payton. Er ist der Chef von Special Projects – das ist eine Umschreibung für >Fragen Sie nicht<.«
»Können Sie ihm vertrauen? Ich meine rückhaltlos, über alle Zweifel hinaus?«
»Über alle Zweifel hinaus. Er war derjenige, der mich zum Geheimdienst gebracht hat.«
»Das allein wäre kein Grund.«
»Die Tatsache, daß ich ihn, seit ich sechs war, ›Onkel Mitch<
nenne, ist aber einer. Er war ein junger Agentenführer und hielt, als Dozent getarnt, Vorlesungen an der Universität von Kairo. Er wurde ein Freund meiner Eltern – mein Vater war Professor an derselben Uni, und meine Mutter ist Amerikanerin aus Kalifornien; dort ist auch Mitch zu Hause.«
»Wird er mit Ihrer Versetzung einverstanden sein?«
»Aber ja, natürlich.«
»Sind Sie sicher?«
»Ihm bleibt nichts anderes übrig. Wie ich Ihnen schon sagte, verhökert jemand einen Teil unserer Seele, der nicht zum Verkauf steht. Diesmal sind Sie es. Und wer ist der nächste?«
25
Mitchell Jarvis Payton war ein dreiundsechzigjähriger drahtiger Akademiker, der seit vierunddreißig Jahren für die CIA arbeitete. MJ, wie er genannt wurde, war mit neunundzwanzig Jahren außerordentlicher Professor mit einem an der Universität von Kalifornien – wo er auch lehrte – erworbenen Doktortitel für arabische Sprachen.
Eines strahlenden Sommermorgens suchten ihn zwei Herren von der Regierung auf und redeten ihm ein, daß sein Land dringend seiner Fähigkeiten bedurfte. Über Einzelheiten waren sie – wie hätte es anders sein können? – nicht zu sprechen befugt. Sie gaben jedoch preis, daß die Sparte der Regierungsarbeit, in der sie tätig waren, zweifellos die
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