Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
interessanteste und aufregendste war, und es sei auch anzunehmen, daß seine neue Position Mitchell Payton nach Übersee führen werde, in ein Gebiet, in dem er seine besonderen Fähigkeiten nutzen konnte. Der junge unverheiratete Mann hatte diese Gelegenheit natürlich beim Schopf gepackt, und als die verblüfften Vorgesetzten in Langley offensichtlich nicht wußten, was mit ihm anfangen, hatte er nachdrücklich erklärt, er habe alle Brücken in Los Angeles hinter sich abgebrochen, da er angenommen hatte, er werde nach Ägypten geschickt. Also schickte man ihn nach Ägypten. »Wir können in Kairo nicht genug Leute haben, die diese gottverdammte Sprache verstehen.« In seinen ersten Semestern hatte Payton amerikanische Literatur studiert und
das Fach gewählt, weil er glaubte, es gebe nicht allzuviel davon. Das war der Grund, warum eine als Arbeitsvermittlung getarnte Unterabteilung der CIA ihn als Arabisch sprechenden Lehrer für amerikanische Literatur an der Universität von Kairo untergebracht hatte.
Dort hat er die Raschads kennengelernt, ein bezauberndes Paar, das zu einem wichtigen Teil seines Lebens wurde. Bei Paytons erster Fakultätssitzung saß er neben dem in hohem Ansehen stehenden Professor Raschad. Vor Beginn der Konferenz kamen sie miteinander ins Gespräch, und Payton erfuhr, daß Raschad nicht nur in Kalifornien studiert, sondern eine frühere Mitschülerin von ihm geheiratet hatte. Mit der Zeit entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den Raschads und MJ, und zugleich festigte sich sein Ruf bei der CIA. Er entdeckte eine Begabung bei sich, von der er bisher selbst nichts geahnt hatte und die ihn manchmal erschreckte – er war ein unglaublich überzeugender Lügner. Mit Hilfe seiner hervorragenden arabischen Sprachkenntnisse und der Erkenntnis, daß man Menschen mit verständnisvollen Worten und Geld motivieren konnte, war er imstande, mehrere politische Gruppen zu organisieren, die einander bekämpften und ihm jeweils von den Operationen der anderen berichteten. Als Gegenleistung bekamen sie von ihm Geld für ›ihre Sache‹ – unwesentliche Beträge für die damals sakrosankte CIA, aber erhebliche Zuschüsse für die meist fast leeren Kriegskassen der Fanatiker. Und dank seiner Bemühungen in Kairo konnte Washington eine Reihe hochbrisanter Situationen entschärfen. Und es war typisch für die >alte Schule< der Geheimdienste, daß man einen Mann nicht dort ließ, wo er gute Arbeit leistete, sondern ihn nach Washington zurückbeorderte – zum Teufel mit seinen besonderen Qualifikationen -, um zu sehen, was er hier leisten konnte. MJ Payton war die einzige Ausnahme in einer langen Reihe von Mißerfolgen. Er wurde Nachfolger von James Jesus Angleton, dem >Grauen Fuchs<, dem Chef von Special Projects, der Nacht-und-Nebel-Operationen geliebt hatte. Und er vergaß nie, was sein Freund Raschad zu ihm gesagt hatte: »Das hättest du nie erreicht, MJ, wenn du geheiratet hättest, denn du weißt, daß man dich nie manipulieren konnte, und das gibt dir die nötige Selbstsicherheit.«
Vielleicht.
Doch er wurde auf eine harte Probe gestellt, als die eigenwillige Tochter seines Freundes nach Washington kam. In Cambridge, Massachusetts, war ihr etwas Schreckliches passiert, und sie war entschlossen, ihr Leben – oder einen Teil ihres Lebens – dem Kampf gegen die verheerenden Feuer des Hasses und der Gewalt zu opfern, die ihre mediterrane Welt zu vernichten drohten. Sie erzählte ›Onkel Mitch< nie, was ihr geschehen war – und das brauchte sie auch nicht, da er es sich denken konnte-, aber sie ließ sein Nein nicht gelten. Die Qualifikationen hatte sie; sie sprach Englisch genauso fließend wie Arabisch und Französisch und lernte damals auch noch Jiddisch und Hebräisch. Er hatte ihr das Friedenskorps vorgeschlagen, und sie hatte wütend ihre Handtasche vor seinem Schreibtisch auf den Boden geknallt.
»Nein! Ich bin kein Kind, Onkel Mitch, und ich habe keine mildtätigen Anwandlungen. Mich interessiert nur die Welt, aus der ich komme und in der ich geboren bin. Wenn du mich nicht nehmen willst, finde ich andere, die mich brauchen können.«
»Es könnten die falschen ›anderen‹ sein, Adrienne.«
»Dann halt’ mich auf! Gib mir den Job!«
»Ich muß zuerst mit deinen Eltern sprechen...«
»Das geht nicht. Er hat sich zurückgezogen – sie haben sich beide zurückgezogen und leben jetzt in Baltim am Meer. Sie würden sich nur um mich Sorgen machen. Setz mich als Dolmetscherin ein
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