Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
nützliches Schmiermittel, mein Sohn. Erinnerst du dich an den Namen seiner Frau, fühlt sich ein Mann geschmeichelt. Kennst du aber seinen Lieblingswhisky, schätzt er das noch höher ein. Also denk dran!«
Obwohl er es erwartete, traf Kendrick das leise Klopfen an der Zimmertür wie ein Donnerschlag. Er holte ein paarmal tief Atem, durchquerte den Raum und ließ den ersten Besucher ein.
»Bist das wirklich und wahrhaftig du, Evan? Mein Gott, hast du etwa konvertiert?«
»Komm rein, Mustafa. Schön, dich wiederzusehen.«
»Aber sehe ich auch dich?« entgegnete Mustafa, der einen braunen Straßenanzug trug. »Deine Haut! Du bist so dunkel wie ich – wenn nicht noch dunkler.«
»Ich werde es dir erklären, weil ich möchte, daß du alles verstehst.« Kendrick schloß die Tür und forderte seinen Freund aus der Vergangenheit mit einer Geste auf, sich selbst einen Platz auszusuchen. »Ich habe deinen Lieblingsscotch besorgt. Willst du einen Drink?«
»Oh, Manny Weingrass ist allgegenwärtig, nicht wahr?« sagte Mustafa und ließ sich auf das Brokatsofa nieder. »Der alte Gauner!«
»He, mal langsam, Musty!« protestierte Kendrick lachend. »Dich hat er nie übers Ohr gehauen.«
»Nein, das hat er nicht. Weder er noch du noch deine anderen Partner haben je versucht, uns zu übervorteilen. Wie ist es dir ergangen – ohne sie, mein Freund? Wir sprechen oft davon, auch heute noch, nach vier Jahren.«
»Manchmal ist es nicht leicht«, sagte Kendrick offen. »Aber man schafft es. Irgendwie.« Er brachte Mustafa den Scotch und ließ sich in einem der drei Sessel nieder, die mit dem Sofa eine Sitzgruppe bildeten. »Das Beste für dich, Musty.« Er hob sein Glas.
»Nein, alter Freund, du findest nichts Gutes mehr. Es ist die schlimmste aller Zeiten, wie schon Charles Dickens schrieb.«
»Warten wir, bis die anderen hier sind.«
»Sie kommen nicht.« Mustafa leerte sein Glas.
»Was?«
»Wir haben die Sache besprochen. Ich vertrete, wie man bei so vielen geschäftlichen Konferenzen sagt, bestimmte Interessen. Und da ich als einziger Minister im Kabinett des Sultans bin, war man der Meinung, daß ich dir den Standpunkt der Regierung am besten begreiflich machen könnte.«
»Was für einen Standpunkt? Du galoppierst meilenweit vor mir her.«
»Du hast uns überrumpelt, Evan – dadurch, daß du einfach hier aufgetaucht bist und uns angerufen hast. Einen – ja; zwei vielleicht, im äußersten Fall auch drei. Aber gleich sieben! Das
war leichtsinnig von dir, alter Freund, und gefährlich für uns alle.«
»Warum?«
»Hast du auch nur einen Augenblick geglaubt«, fuhr Mustafa fort, »daß drei bekannte und angesehene Männer – von sieben ganz zu schweigen – innerhalb weniger Minuten der Reihe nach in einem Hotel erscheinen und sich mit einem Fremden treffen könnten, ohne daß die Hotelleitung davon erfährt? Absurd.«
Evan sah Mustafa lange an, bevor er sprach. Ihre Blicke trafen sich. »Was ist los, Musty? Was willst du mir durch die Blume beibringen? Wir sind hier nicht in der Botschaft, und die Greuel, die dort geschehen, haben weder mit den Geschäftsleuten noch mit der Regierung von Oman etwas zu tun.«
»Nein, das ist offensichtlich«, stimmte Mustafa zu. »Aber ich versuche dir begreiflich zu machen, daß sich hier so manches verändert hat – auf eine Weise, die viele von uns nicht verstehen.«
»Auch das ist offensichtlich«, warf Kendrick ein. »Ihr seid keine Terroristen.«
»Nein, das sind wir nicht. Aber möchtest du hören, was die Leute – verantwortungsbewußte Leute – sagen?«
»Los, sag es mir!«
»›Es geht vorüber‹, sagen sie. ›Mischt euch nicht ein, es würde ihren Fanatismus nur noch anstacheln‹.«
»Mischt euch nicht ein?« wiederholte Kendrick ungläubig.
»Und ›sollen sich doch die Politiker darum kümmern‹.«
»Die Politiker können sich nicht darum kümmern.«
»Oh, es kommt noch besser, Evan. ›Ihr Zorn ist nicht ganz unberechtigt‹, sagen sie. ›Nicht die Morde, natürlich, aber im Umfeld gewisser Ereignisse...‹ Und so weiter, und so weiter. Auch das habe ich gehört.«
»Im Umfeld gewisser Ereignisse? Was meinen sie damit?«
»Ereignisse der jüngsten Geschichte, alter Freund. ›Sie reagieren auf die sehr ungerechte Politik der Vereinigten Staaten im Nahen Osten.‹ Das ist das Stichwort, Evan. ›Die Israelis bekommen alles und wir nichts‹, sagen die Leute. ›Wir werden aus unseren Ländern und aus unserem Heim vertrieben und müssen in
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