Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
lange.«
»Sehr lange«, sagte Kendrick und versuchte durch das getönte Fenster einen Blick auf die Straße zu erhaschen. Noch zehn Minuten, und er sah Manny Weingrass wieder...
Sie umarmten sich auf der Schwelle des Hauses, und Kendrick preßte den Freund fest an sich. Dann zog Weingrass ihn leicht an den Ohren und sagte: »Haben deine Eltern dir eigentlich keine Manieren beigebracht? Hinter dir steht eine Dame, die ich sehr gern kennenlernen würde.«
»Oh, tut mir leid.« Kendrick ließ Weingrass los und trat zurück. »Manny, das ist Kalaila – Kalaila Raschad.«
Weingrass behielt Kalailas Hand lange in der seinen. »Wir kommen aus einem schwer heimgesuchten Land, Sie und ich. Sie sind Araberin, ich bin Jude, doch in diesem Haus gibt es diesen Unterschied nicht, gibt es keine Vorurteile, und ich muß Ihnen sagen, daß ich Sie sehr liebe, weil Sie meinem Sohn Ihre Freundschaft schenken.«
»Mein Gott, Sie sind wirklich ein Wunder!«
»O ja, das bin ich«, stimmte Weingrass zu und nickte zweimal mit großem Nachdruck.
»Ich liebe Sie auch, weil Sie so viel für Evan getan haben.« Kalaila legte dem gebrechlichen alten Mann die Arme um den Hals und preßte ihre Wange an die seine. »Ich habe das Gefühl, Sie schon mein Leben lang zu kennen.«
»Ja, manchmal habe ich diese Wirkung auf Menschen. Und dann gibt es andere, deren Leben sich plötzlich zum Schlechteren wendet, nachdem sie mir begegnet sind.«
»Zu denen gehöre ich sicher nicht«, sagte Kalaila, gab Weingrass frei, ließ ihre Hände jedoch auf seinen Schultern liegen. »Ich habe von einer Legende gehört, und sie hat sich als ein wunderbarer Mensch entpuppt«, fügte sie mit einem herzlichen Lächeln hinzu.
»Verbreiten Sie keine solchen Falschmeldungen, Miß Geheimagentin. Sie bringen mich noch um meinen schlechten Ruf. Und jetzt zur Sache, bevor ich euch zu den anderen bringe.« Weingrass
drehte sich im Flur um und schaute durch den steinernen Türbogen auf die Veranda. »Ausgezeichnet. Die Mädchen sitzen draußen, da bleiben uns ein paar Minuten...«
»Der Typ von der CIA hat uns informiert«, sagte Kendrick. »Ich meine den, der uns vom Flugplatz abgeholt hat.«
»Oh, du meinst Joe?«
»Joe?«
»Sie heißen alle Joe, John, Jim – es gibt weder Irvings noch Miltons – ach, vergiß es. Payton hat mir gesagt, du weißt, was mit den Hassans passiert ist.«
»Er weiß es«, warf Kalaila ein, griff geistesabwesend nach Kendricks Hand und hielt sie fest. Weingrass entging die Geste nicht, und er war offensichtlich gerührt. »Es ist furchtbar...«
»Alles ist furchtbar, mein liebes Kind. Tiere, die ihre Artgenossen töten. Kaschi und Sabri haben so liebevoll von Ihnen gesprochen, Adrienne Kalaila Raschad, und ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie sehr sie meinen Sohn liebten... Wir werden um sie trauern und nie vergessen, was sie uns bedeutet haben. Doch erst, wenn alles vorüber ist, nicht jetzt.«
»Manny«, sagte Kendrick, »wir müssen die Beerdigung vorbereiten...«
»Das ist bereits geschehen. Ich habe einen islamischen Gottesdienst bestellt, und dann werden ihre sterblichen Überreste nach Dubai geflogen und in Asch Scharigah beerdigt. Die Särge werden selbstverständlich versiegelt.«
»Mr. Weingrass...«
»Also das hätte ich vorrangig erledigen sollen. Wenn Sie Mister zu mir sagen, liebe ich Sie gleich viel weniger.«
»Nun gut – Manny. MJ war nicht klar... MJ ist Mitchell Payton.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Weingrass. »Ich habe ihm gesagt, wenn er das Telefon reparieren lassen könnte, könnten wir entgegenkommender sein. Ich glaube, er hat jemanden einen Kopf kürzer machen lassen, und jetzt funktioniert es wieder. Wir nennen uns beim Vornamen, und er ruft viel zu oft an. Entschuldigung, Sie wollten etwas fragen?«
»Was für eine Tarnung hat man mir verpaßt? Ich komme mir wie eine Idiotin vor, aber ich weiß es einfach nicht. Der Agent im Wagen sagte, ich sei ja ›sozusagen amtlich< hier, aber was heißt ›sozusagen amtlich Wer bin ich für diese Leute?«
»Mitchell hat gemeint, Sie sollten sich als Mitarbeiterin des Außenministeriums ausgeben, die den Kongreßabgeordneten begleitet.«
»Mitarbeiterin des Außenministeriums?«
»Vielleicht braucht er einen Prügelknaben, falls es nicht läuft, wie es sollte. Soviel ich weiß, ist das in Washington eine beliebte Freizeitbeschäftigung.«
»Nein, so ist er nicht. Oh, ich verstehe. Ich muß Anweisungen geben und daher eine entsprechende Stellung
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