Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
eindeutig.«
»Für mich nicht.«
»Ein Komplott zur Vorbereitung eines Rachemordes. An mir.«
»Angenommen, sie gehören nicht zusammen.« Kalaila blieb hartnäckig. »Daß eins das andere nach sich gezogen hat. Es liegen zehn Wochen dazwischen, das muß man bedenken. Der Impetus, dich im ersten Zorn aus Rache zu töten, der für den dscharam ath-thaar so wesentlich ist, ist längst abgeflaut.«
»Du hast aufgezählt, was alles erledigt und organisiert werden mußte. Das braucht seine Zeit.«
»Wenn sie die Möglichkeiten haben, das zu tun, was sie in
zehn Wochen getan haben, schaffen sie es auch in zehn Tagen, Evan.«
Emmanuel Weingrass hob die Hand mit dem Handteller nach vorn, eine Geste, die einem Schweigebefehl gleichkam. »Wollen Sie damit sagen, daß mein Sohn es nicht mit einem, sondern mit zwei Gegnern zu tun hat? Mit den Arabern aus dem Baaka-Tal und jemandem von hier, der mit ihnen zusammen- oder gegen sie arbeitet? Ist das auch logisch, mein schönes Kind?«
»Zwei Kräfte, beide nicht zu fassen, eine ganz bestimmt ein Todfeind – die andere... Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, was ich fühle. Wenn MJ die Antworten auf seine Fragen nicht findet, schiebt er das immer den sogenannten >Lücken< in die Schuhe. Ich glaube, ich bin jetzt auch soweit. Es gibt zu viele Lücken.«
Weingrass verzog wieder das Gesicht und rülpste verstohlen. »Ich respektiere Ihre Empfindungen«, sagte er. »Sollte Mitchell Sie je hinauswerfen, verschaffe ich Ihnen sofort einen Bombenjob bei der Mossad...« Er unterbrach sich plötzlich, begann schwer zu atmen und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Was haben Sie, Manny?« fragte Kalaila, und Kendrick drehte sich erschrocken um.
»Fehlt dir was?« fragte er.
»Ich bin fit für die Olympiade, außer daß mir einmal kalt und dann wieder heiß ist«, antwortete Weingrass. »Das kommt davon, wenn man wie ein junger Kerl im Wald herumrennt. Lyons hat mir gesagt, mein Blutdruck sei ein bißchen hoch, und daß ich ein paar blaue Flecke habe, wo keine sein sollten. Ich hab’ ihm geantwortet, ich hätte mich auf einen Ringkampf mit einem Stier eingelassen. Meine alten Knochen brauchen Ruhe, Kinder, und deshalb geh’ ich jetzt ins Bett.«
Er stand auf, und auch Kendrick wollte sich erheben. »Ich hole eine Schwester...«
»Wozu? Damit sie meine augenblickliche Schwäche ausnutzen und über mich herfallen kann? Ich brauche Ruhe, Junge. Laß sie schlafen, Evan. Sie haben viel durchgemacht. Mir geht es gut, ich bin nur müde. Versuch du mal, für die Olympiade zu trainieren, wenn du sechzig bist.«
»Sechzig?«
»Halt den Mund, Sohn. Ich schaff’s noch immer, dich bei diesem reizenden Mädchen auszustechen.«
»Könnte es von irgendeinem Medikament kommen, das Ihnen der Doktor gegeben hat?« fragte Kalaila lächelnd.
»Er hat mir nichts gegeben. Mir nur ein bißchen Blut für sein Labor abgezapft. Er hat mir zwar ein paar Pillen angeboten, aber ich hab’ gesagt, ich schmeiß’ sie in die Toilette. Es war bestimmt ein Ärztemuster, das er umsonst kriegt und so teuer verkauft, daß er sich dafür einen neuen Flügel an seine Luxusvilla anbauen kann. Ciao , liebe Jugend.«
Sie sahen ihm nach, als er, einen Fuß ganz bewußt vor den anderen setzend, durch das Wohnzimmer ging; es war, als müsse er vor jedem Schritt Kraft sammeln. »Glaubst du, daß es ihm gutgeht?« fragte Kendrick, als Weingrass außer Hörweite war.
»Ich glaube, er ist erschöpft«, sagte Kalaila. »Versuch doch mal zu leisten, was er heute geleistet hat – egal, ob mit sechzig oder achtzig-, versuch es morgen.«
»Ich werde ab und zu nach ihm sehen.«
»Wir wechseln uns ab, dir ist es bestimmt auch lieber, wenn du die Schwestern nicht zu wecken brauchst.«
»Womit du sagen willst, daß man sie so am besten von den Fenstern fernhält.«
»Da hast du vermutlich recht«, gab Kalaila zu. »Aber du kümmerst dich – ebenso wie ich – auch lieber selbst um ihn.«
»Willst du noch was trinken?«
»Nein, danke...«
»Ich schon«, sagte Kendrick und stand von der Couch auf.
»Ich wollte noch etwas sagen.«
»Und das wäre?« Auch Kalaila stand jetzt auf, und Kendrick drehte sich zu ihr um.
»Ich will nichts trinken – aber ich will dich.«
Schweigend sah er auf sie hinunter, tastete mit den Blicken ihr Gesicht ab, suchte dann ihre Augen. »Ist das Mitleid? Willst du dem Mann, der durcheinander ist und leidet, eine Gnade erweisen?«
»Von mir bekommst du kein Mitleid, das habe ich
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