Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
verdammt schnell. Was kann ich dir sagen?«
Kendrick, mit klatschnassen Haaren, die Kleidung von der Sprinklerflut durchnäßt, sah zu der Schwester hinüber, die sich um Weingrass kümmerte. Sie hatte Tränen in den Augen, seit sie ihre beiden Freundinnen auf der Veranda gesehen hatte. »Versprich mir, daß du zu mir zurückkommst«, sagte er leise ins Telefon. »Sag mir, daß es ein Ende haben wird. Sag mir, daß ich nicht den Verstand verliere.«
»All das kann ich dir sagen, aber du mußt es auch glauben. Du lebst, und nur das ist im Augenblick für mich wichtig.«
»Was ist mit den anderen, die nicht mehr am Leben sind? Und was ist mit Manny? Zählen sie nicht?«
»Manny hat gestern abend etwas gesagt, das mich tief beeindruckt hat. Wir sprachen über die Hassans, Sabri und Kaschi. Und Manny sagte, wir würden an sie denken und auf unsere Weise um sie trauern – aber nicht jetzt, später. Das mag auf manche Menschen gefühllos und kalt wirken, aber nicht auf mich. Er war dort, wo ich war, mein Liebling, und ich weiß, woher er kommt. Niemand ist vergessen, aber im Moment dürfen wir nicht an sie denken und müssen tun, was uns aufgetragen ist. Verstehst du das – mein Liebling?«
»Ich versuche es zu verstehen. Wann kommst du zurück?«
»Das erfahre ich in etwa zwei Stunden. Ich ruf’ dich an.«
Kendrick legte auf, als Sirenengeheul und das Donnern von
Hubschrauber-Rotoren immer lauter wurden und alle Geräusche sich auf den winzigen Punkt in Colorado konzentrierten, der Mesa Verde hieß.
»Das ist eine wunderschöne Wohnung«, sagte Kalaila liebenswürdig, als sie durch das mit Marmor verkleidete Foyer in das Wohnzimmer der Vanvlanderens ging.
»Sie ist praktisch«, antwortete die Witwe, ein Taschentuch umklammernd, schloß die Tür und folgte dann der unwillkommenen Besucherin. »Der Vizepräsident ist ziemlich anspruchsvoll, und wir mußten uns entweder für dieses Apartment entscheiden oder uns eigens für die Zeit, die er in Kalifornien verbringt, ein Haus kaufen. Doch zwei Häuser – seins und meins – wären ein bißchen viel gewesen. Setzen Sie sich doch.«
»Sind alle Wohnungen so wie diese?« fragte Kalaila und setzte sich in den Lehnstuhl, auf den Ardis Vanvlanderen gezeigt hatte. Er stand dem großen, imposanten Brokatsofa gegenüber; die Frau des Hauses stellte von vornherein die Hackordnung klar.
»Nein, mein Mann hat sie nach unserem Geschmack umbauen lassen.« Die Witwe hob für einen Moment das Taschentuch an die Augen. »Ich glaube, ich sollte mich daran gewöhnen, ›mein verstorbener Mann< zu sagen«, fügte sie hinzu und ließ sich traurig auf der Couch nieder.
»Es tut mir so leid, und ich wiederhole, daß ich mich sehr dafür entschuldige, Ihnen in einer für Sie so schweren Zeit lästig zu fallen. Es ist unzumutbar, und das habe ich meinen Vorgesetzten auch deutlich gesagt, aber sie haben darauf bestanden.«
»Sie hatten recht. Staatsangelegenheiten haben Vorrang, Miß Raschad. Dafür habe ich Verständnis.«
»Also ich weiß nicht, ob ich es habe. Diese Unterredung hätte meiner Meinung nach frühestens auch morgen vormittag stattfinden können. Aber andere denken nun mal anders.«
»Das ist es, was mich fasziniert«, sagte Ardis, die schwarze Seide ihres Balenciaga-Kleides glattstreichend. »Was kann so ungeheuer wichtig sein, daß es keinen Aufschub verträgt?«
»Vor allem«, entgegnete Kalaila, schlug die Beine übereinander und entfernte ein Fältchen aus dem dunkelgrauen Kostüm, das sie in San Diego bei Robinson’s erstanden hatte, »muß, was wir hier besprechen, unter uns bleiben. Wir wollen Vizepräsident Bollinger nicht unnötig beunruhigen.« Kalaila nahm ein schwarzes
Notizbuch aus ihrer Handtasche und fuhr sich über das dunkle Haar, das sie streng zurückgekämmt und zu einem Knoten geschlungen trug. »Soviel ich weiß, hat man Ihnen gesagt, daß ich im Ausland-in Übersee – arbeite und nur wegen dieses Auftrags zurückgeholt wurde.«
»Man hat mir gesagt, Sie seien Expertin für Angelegenheiten des Nahen Ostens.«
»Das ist eine Umschreibung für terroristische Aktivitäten. Ich bin zur Hälfte Araberin.«
»Das sehe ich. Sie sind schön.«
»Und Sie sind sehr schön, Mrs. Vanvlanderen.«
»Na ja, es geht so, nur darf ich nicht an mein Alter denken.«
»Wir dürften im Alter nicht weit auseinander sein.«
»Auch darüber sollten wir lieber den Mantel des Schweigens breiten. Was gibt es für ein Problem? Was ist so ungeheuer wichtig,
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