Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
hatte ihr Werk getan. Von den beiden menschlichen Wesen war nicht mehr viel übrig – ein paar Fleischfetzen und Blut. »Da hilft alles Kümmern der Welt nicht mehr, Manny. Es tut mir leid.«
»Oh, und du in deinem verdammten Himmel nennst dich Gott?« schrie Weingrass, und Tränen traten ihm in die Augen. »Was willst du noch, du Gauner?« Es schien, als wolle er noch etwas sagen, verlor jedoch im nächsten Augenblick das Bewußtsein.
Draußen war es plötzlich still. Auf das Schlimmste vorbereitet, nahm Kendrick dem Freund die Pistole aus der Hand. Er fragte sich flüchtig, woher er sie wohl hatte, sagte sich aber sofort, daß nur Ge-Ge Gonzalez sie ihm gegeben haben konnte. Sanft legte er Weingrass auf den Boden zurück und stand auf. Vorsichtig betrat er das Wohnzimmer, das voller Qualm war. Es stank nach nassem Rauch, und Kendrick stellte überrascht fest, daß die Sprinkleranlage in der Decke tatsächlich noch funktionierte.
Ein Schuß. Er warf sich zu Boden, schaute hastig in alle Richtungen, und die Mündung seiner Waffe folgte fast automatisch seinen Blicken.
»Vier!« rief eine Stimme vor den zertrümmerten Fenstern. »Ich zähle vier.«
»Einer ist im Haus!« antwortete eine andere Stimme. »Geh ihm nach und schieß auf alles, was sich dort drin bewegt. Jesus, ich möchte nicht, daß wir dabei sind, wenn unsere Toten gezählt werden. Aber ich will auch nicht, daß einer von diesen Scheißkerlen lebend davonkommt. Hast du mich verstanden?«
»Und ob ich verstanden habe.«
»Der Scheißkerl, der im Haus war, ist tot!« rief Kendrick mit kraftloser Stimme. »Aber ich habe einen Verwundeten hier. Einen von uns, und er ist sehr schwer verwundet.«
»Herr Abgeordneter? Sind Sie das, Mr. Kendrick?«
»Ich bin es. Und ich will diesen Titel nie wieder hören.«
Wieder begann das Telefon zu klingeln. Kendrick sprang auf und lief zu dem angekohlten und von der Sprinkleranlage völlig durchnäßten Schreibtisch. Plötzlich sah er die Schwester, die ihm das Leben gerettet hatte, zögernd um den Türbogen biegen. »Bleiben Sie draußen«, sagte er. »Ich will nicht, daß Sie auf die Veranda gehen.«
»Ich habe gehört, daß Sie sagten, jemand sei verwundet, Sir. Ich bin dazu ausgebildet, Verwundete zu versorgen.«
Das Telefon klingelte hartnäckig weiter.
»Ihn dürfen Sie sehen, ja. Aber nicht die anderen. Ich will nicht, daß Sie die anderen sehen.«
»Ich bin kein Küken, Herr Abgeordneter, ich war drei Jahre in Vietnam.«
»Aber die beiden waren Ihre Freundinnen.«
»Das waren unzählige andere auch«, sagte die Schwester mit ausdrucksloser Stimme. »Ist der Verwundete Manny?«
»Ja.«
Das Telefon klingelte immer noch.
»Gehen Sie ran, Sir, und rufen Sie dann gleich Dr. Lyons an, ja?«
Kendrick nahm ab. »Ja?«
»Evan! Dem Himmel sei Dank! Ich bin’s, MJ. Ich habe eben von Adrienne gehört...«
»Verpiß dich«, sagte Kendrick, unterbrach die Verbindung und wählte die Auskunft.
Zuerst drehte sich das Zimmer um ihn, dann wurde der ferne Donner lauter, und Blitze zuckten durch seinen Kopf. »Wiederholen Sie das bitte Wort für Wort, Miß«, sagte er, »damit ich auch genau weiß, daß ich Sie nicht mißverstanden habe.«
»Aber gewiß, Sir. In Cortez und im Bezirk Mesa Verde ist kein Dr. Lyons eingetragen. Es gibt überhaupt niemanden namens Lyons – L-Y-O-N-S – in der Gegend.«
»Aber das war sein Name. Er hatte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Außenministerium.«
»Wie bitte?«
»Nichts. Nichts.« Kendrick knallte den Hörer auf die Gabel, und sofort begann der Apparat wieder zu klingeln. »Ja?«
»Mein Liebling! Bist du gesund?«
»Dein verdammter MJ hat Mist gebaut. Ich weiß nicht, wie viele Tote es gegeben hat, und Manny ist von Kugeln durchlöchert. Er ist nicht nur halb tot, er hat nicht einmal einen Arzt.«
»Ruf Lyons an.«
»Den gibt es nicht. Woher weißt du, was hier passiert ist?«
»Ich hab’ mit einer Schwester telefoniert. Sie sagte, du hättest Besuch, einen griechischen Priester, und... Hör zu, Liebling, wir hatten selbst erst ein paar Minuten vorher erfahren, daß sie als Priester verkleidet reisen. Ich habe MJ angerufen, und er ist außer sich. Er hat halb Colorado mobilisiert, die ganze Bundespolizei...«
»Ich hab’ ihm eben gesagt, er soll sich verpissen.«
»Er ist nicht dein Feind, Evan.«
»Wer, zum Teufel, ist es?«
»Um Himmels willen, das versuchen wir ja herauszufinden.«
»Ihr seid ein bißchen langsam.«
»Und sie sind
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