Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
abscheulichen Terrorakt im Mittelmeerraum. Und als ob Tod wieder Tod nach sich ziehe, hörte Kendrick betroffen zu, als der Nachrichtensprecher sagte: »In San Diego ist es zu einer weiteren Tragödie gekommen. Mrs. Ardis Vanvlanderen, Stabschefin von Vizepräsident Bollinger, wurde am frühen Morgen tot aufgefunden. Ihre Leiche wurde in Coronado an den Strand gespült. Es handelt sich vermutlich um Selbstmord...«
Kendrick beugte sich ruckartig vor. Ardis? Ardis Vanvlanderen? Ardis Montreaux? Die Bahamas – ein ehemaliger kleiner und jetzt verkommener Angestellter von Off Shore Investments hatte ihnen erzählt, Ardis Montreaux habe einen reichen Kalifornier geheiratet. Guter Gott! Deshalb war Kalaila nach San Diego geflogen. Mitchell Payton hatte die >Geldhure< gefunden – Bollingers Stabschefin...
Im Hotel nahm er den Lift in den fünften Stock und ging dann den Richtungspfeilen nach zu Kalailas Zimmer. Er konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen und in die Arme zu nehmen, fühlte jedoch zugleich tiefe Niedergeschlagenheit – wegen Manny Weingrass, wegen des Massenmordes auf Zypern, wegen so vieler Dinge; aber hauptsächlich wegen Manny, der einem so teuflischen Mordanschlag zum Opfer fallen würde. Zimmer fünfhunderteins. Er klopfte viermal und hörte drinnen schon laufende Schritte, ehe er die Hand weggenommen hatte. Die Tür flog auf, und Kalaila lag in seinen Armen.
»Ich liebe dich«, flüsterte er in ihr dunkles Haar, und seine Worte überstürzten sich fast. »Und alles ist so widerlich, so gottverdammt widerlich!«
»Komm rein! Schnell!« Kalaila schloß die Tür und nahm sein Gesicht in die Hände. »Manny?«
»Er hat noch ungefähr drei Monate zu leben – auf keinen Fall länger als ein halbes Jahr«, antwortete Kendrick. »Er stirbt an einem Virus, mit dem er sich nicht infiziert haben kann, das ihm injiziert worden sein muß.«
»Der nicht existente Dr. Lyons«, sagte Kalaila.
»Ich werde ihn finden, und wenn es zwanzig Jahre dauert.«
»Du bekommst von Washington jede erdenkliche Hilfe.«
»Es gibt nur noch Schreckensmeldungen. Zypern, der beste Mann dieser Regierung in Stücke gerissen...«
»Das Attentat wurde hier geplant, Evan. Hier in San Diego.«
»Was?«
Kalaila trat einen Schritt zurück, nahm seine Hand und führte ihn in eine Ecke, in der zwei Sessel standen und dazwischen ein kleiner runder Tisch. »Setz dich, Liebling. Ich hab’ dir eine Menge zu berichten, was ich dir bisher nicht sagen durfte. Und dann gibt es hier etwas für dich zu tun, deshalb habe ich dich gebeten, herzukommen.«
»Ich glaube«, sagte Kendrick, während er sich setzte, »etwas von dem, was du mir sagen willst, weiß ich schon. Ardis Montreaux, verwitwete Vanvlanderen. Ich hab’s im Radio gehört; es heißt, daß sie Selbstmord begangen hat.«
»Das hat sie schon getan, als sie Vanvlanderen heiratete, der vorgestern starb.«
»Du bist ihretwegen hier, nicht wahr?«
»Ja.« Kalaila nickte. Sie setzte sich ebenfalls. »Du wirst alles
hören und lesen. Ich habe Bänder und Protokolle von allen Gesprächen, die sie nach dem Tod ihres Mannes geführt hat. Man hat sie mir vor einer Stunde gebracht.«
»Was ist mit Zypern?«
»Der Befehl kam von hier, von einem Mann namens Grinell.«
»Nie von ihm gehört.«
»Das haben nur wenige... Evan, es ist alles viel schlimmer, als wir es uns vorgestellt haben – vorstellen konnten.«
»Das hast du von Ardis erfahren? Ja, sie war früher einmal Ardis für mich, ich Evan für sie.«
»Das weiß ich. Nein, nicht sie hat es mir gesagt; durch sie habe ich nur eine vage Vorstellung von dem bekommen, was vorgeht, und schon das ist erschreckend genug. Unsere ergiebigste Quelle ist ein Mann, der gestern abend draußen beim Flughafen ermordet wurde.«
»Um Himmels willen, wer war er?«
»Der blonde Europäer, Liebling.«
»Was?« Kendrick prallte zurück, das Blut schoß ihm in den Kopf.
»Er hat nicht nur meine Unterredung mit Ardis Vanvlanderen mitgeschnitten, sondern eine Reihe weiterer Gespräche, die Unglaubliches ans Licht gebracht haben. Wir haben zwar nur einen Namen, den von Grinell, aber wir können uns ein Bild zusammensetzen, wie ein Puzzle, auf dem die Gestalten undeutlich bleiben, und es ist grauenhaft.«
»Eine Regierung in der Regierung«, sagte Kendrick leise. »Das sind Mannys Worte. ›Die Diener befehlen im Haus ihres Herrn.‹«
»Manny hat recht, wie gewöhnlich.«
Kendrick stand auf, trat an ein Fenster, lehnte sich ans Fensterbrett
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