Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
floh außer Landes. Es heißt, er habe sich irgendwo in den Alpen in der Nähe von Divonne eine wahre Festung gebaut und eine neue Firma gegründet. Waffen und Kriegsgerät. Man hat mir gesagt, daß er
heute der mächtigste Waffenhändler der Welt ist und der, der am wenigsten in Erscheinung tritt.«
»Auf dem zweiten Band hat Ardis Vanvlanderen Divonne erwähnt. Es war nur eine beiläufige Bemerkung, aber jetzt hat sie einen Sinn bekommen.«
Kendrick trat von der Wand zurück und sah Kalaila an. »Unser Europäer hatte den richtigen Instinkt. Er konnte sich zwar nicht an Einzelheiten erinnern, hat aber das Blut an Hamendi gesehen, als fließe es aus dieser Fotografie... Eine Regierung in der Regierung, die mit dem größten illegalen Waffenhändler Geschäfte macht.« Plötzlich runzelte Kendrick die Stirn. »Steckt Bollinger da auch mit drin?«
»Das, hat der Europäer gesagt, kann man weder mit ja noch mit nein beantworten. Was weiß er, oder was weiß er nicht? Sicher ist nur eins. Er hat die spendenfreudigsten Männer des Landes um sich versammelt.«
»Mein Gott, sie stecken alle mit drin...«
»Noch etwas mußt du erfahren, Evan«, sagte Kalaila. »Es war Andrew Vanvlanderen, der Kontakt mit den Terroristen aufnahm. Er war für die Überfälle auf deine beiden Häuser verantwortlich.«
»Herrgott!« schrie Kendrick auf. »Warum?«
»Deinetwegen«, antwortete Kalaila leise. »Du warst die Zielscheibe. Er wollte deinen Tod. Er hat übrigens auf eigene Faust gehandelt, deshalb wurde seine Frau ermordet, als die anderen davon erfuhren. Es sollte nicht die Spur einer möglichen Verbindung zu ihnen geben – aber sie fürchten dich alle. Nächste Woche beginnt eine landesweite Kampagne, man will deinen Namen auf der nationalen Wahlliste sehen, weil du an Bollingers Statt Vizepräsident werden sollst.«
»Stecken die Leute des Europäers dahinter?«
»Ja. Und das können und wollen die Männer um Bollinger nicht tolerieren. Sie denken, du wirst sie hinausdrängen, ihren Einfluß beschneiden, bis er praktisch nicht mehr vorhanden ist.«
»Ich werde noch mehr tun als das. Ich werde sie nämlich nicht hinausdrängen, sondern ausreißen wie Giftpflanzen. Zypern, Fairfax, Mesa Verde – Schweinehunde! Wer sind sie? Gibt es eine Liste?«
»Wir könnten eine zusammenstellen, mit vielen, vielen
Namen, aber wir wissen nicht, wer in die Sache verwickelt ist und wer nicht.«
»Das werden wir feststellen.«
»Wie?«
»Ich schlage mich auf Bollingers Seite. Sie sollen einen anderen Kongreßabgeordneten Kendrick kennenlernen – einen, der sich einen sicheren Platz auf der nationalen Wahlliste abkaufen läßt.«
MJ Payton saß an seinem Schreibtisch in Langley, Virginia, und blickte starr aus dem Fenster. Es gab so viel zu denken, daß er nicht an Weihnachten denken konnte, was ein Segen war. Er bereute nicht, daß er sich für das Leben entschieden hatte, das er führte, aber Weihnachten war immer ein kleines Problem für ihn. Er hatte zwei verheiratete Schwestern im Mittelwesten und mehrere Nichten und Neffen, denen er die üblichen Geschenke geschickt hatte – die er immer von seiner langjährigen Sekretärin besorgen ließ -, aber er hatte keine Lust, die Feiertage im Schoß der Familie zu verbringen. Sie hatten sich ganz einfach nichts mehr zu sagen. Er hatte zu lange auf der anderen Seite des Erdballs gelebt, um Befriedigung in einem Gespräch über eine Sägemühle und eine Versicherungsagentur zu finden, und er konnte über seine Arbeit natürlich überhaupt nicht sprechen. Außerdem waren die meist schon erwachsenen Kinder absoluter Durchschnitt, kein einziges war an einer höheren Schulbildung, geschweige denn an einem Studium interessiert, und alle strebten nur nach der finanziellen Sicherheit ihrer Väter. Spießer, alle miteinander. Lieber nicht daran rühren, dachte er. Wahrscheinlich fühle ich mich deshalb von Adrienne so angezogen und bin so gern ihr ›Onkel Mitch‹. Aber ich sollte mich wohl allmählich daran gewöhnen, sie Kalaila zu nennen... Sie gehörte zu seiner Welt, hatte diese Welt freiwillig gewählt und sich darin hervorragend bewährt. Einen Augenblick wünschte sich Payton, sie wären alle wieder in Kairo, und die Raschads hätten ihn wie jedes Jahr eingeladen, mit ihnen Weihnachten zu feiern – mit einem köstlichen Essen unter einem wunderschön geschmückten Weihnachtsbaum und Schallplattenaufnahmen des Mormon Tabernacle Choir, der alte Weihnachtslieder sang.
Wo waren diese
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