Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
königlichen Befehl das Kommando auf dem Schiff übernähmen und daß der gegenwärtige Kurs beibehalten werden solle. Die Mannschaft wurde auf Waffen durchsucht, Messer und Schußwaffen wurden sichergestellt. Die Matrosen wurden ins Logis gebracht, wo je ein Omaner, ein Palästinenser und ein Israeli in abwechselnden Schichten Wache standen. Der Kapitän, ein hagerer Fatalist mit Stoppelbart, nahm die Lage achselzuckend hin und leistete weder Widerstand, noch erhob er Einspruch. Er blieb am Steuer, bat nur darum, daß ihn der erste und zweite Maat zu den vorgeschriebenen Zeiten ablösten. Dem wurde stattgegeben, und sein abschließender Kommentar brachte seine philosophische Reaktion auf einen Nenner: »Jetzt arbeiten Araber und Juden schon als die neuen Piraten der Meere zusammen. Die Welt ist noch verrückter, als ich gedacht habe.«
Die aufregendste Überraschung war jedoch der Funker. Sie näherten sich dem Funkraum vorsichtig, Kalaila voran, hinter ihr zwei Männer von der Brigade Masada und Evan Kendrick. Kalaila gab ein Zeichen, die Männer traten die Tür ein und richteten die Waffen auf den Funker. Er zog ein israelisches Fähnchen aus der Tasche und grinste. »Wie geht’s Manny Weingrass?« fragte er.
»Gütiger Gott!« war die einzige Antwort, die der Abgeordnete aus Colorado herausbrachte.
»Das war zu erwarten«, sagte Kalaila.
Der Trupp aus Oman arbeitete zwei Tage lang auf See, mit Kurs auf Nischtun, schichtweise rund um die Uhr im Laderaum des Frachters. Sie waren gründlich; jeder kannte die Ware, mit der er zu tun hatte, und zerstörte sie gezielt. Die Kisten wurden neu versiegelt und zeigten keinerlei Spuren von Sabotage; da gab es nur sauber verpackte Waffen und Zubehör zu sehen, genauso,
wie die Ausrüstung von Fließbändern überall auf der Welt gekommen und von Abdel Hamendi eingesammelt worden war, dem Verkäufer des Todes. In der Morgendämmerung des dritten Tages lief das Schiff in den Hafen von Nischtun ein. Die >Piraten< von der West Bank, aus Oman und von der Brigade Masada, die Agentin aus Kairo und der amerikanische Kongreßabgeordnete trugen jetzt alle die Kleidungsstücke, die sie im Rucksack bei sich gehabt hatten. Es war eine Mischung aus arabischer und westlicher Kleidung, der schäbige Aufzug nur unregelmäßig beschäftigter Handelsmatrosen, die in einer ungerechten Welt um das Uberleben kämpfen. Fünf Palästinenser, die als bahreinischer Entladetrupp posierten, standen an der Gangway, die in wenigen Augenblicken hinuntergelassen werden würde. Die anderen schauten vom Unterdeck aus regungslos zu, wie sich auf der riesigen Pier im Zentrum des Hafenkomplexes eine Menschenmenge ansammelte. Hysterie lag in der Luft, war überall zu spüren. Das Schiff war ein Symbol der Befreiung, ein Zeichen dafür, daß reiche und mächtige Menschen irgendwo auf der Welt die stolzen, leidgeprüften Kämpfer im Südjemen für wichtig hielten. Es war ein Karneval der Rache, und wenn sie sich auch nicht im Kollektiv darüber einig sein mochten, wofür sie sich rächten, verzerrte Münder unter wilden Augen schrien nach Gewalt. Der Frachter machte fest, und der Wahnsinnslärm auf der Pier wurde ohrenbetäubend.
Ausgewählte Mitglieder der Schiffsbesatzung, wachsam beobachtet von dem Trupp aus Oman und mit Waffen bedroht, begannen mit dem Ausladen, einem langwierigen Prozeß. Als die Kistenstapel mit Kränen aus dem Laderaum gehoben und an Land gehievt wurden, begrüßte die Menge jede einzelne Ladung mit fanatischem Jubel. Zwei Stunden nachdem die Entladung angefangen hatte, machten die drei chinesischen Leichtpanzer den Abschluß. Hatten schon die Kisten die Menge in Ekstase versetzt, der Anblick der Panzer brachte sie vollends zum Überkochen. Soldaten in zerlumpten Uniformen mußten ihre Landsleute zurückhalten, damit sie sich nicht auf die Panzer stürzten; auch sie waren Symbole großer Wichtigkeit, ungeheurer Anerkennung – woher auch immer.
»Herr im Himmel!« sagte Kendrick, packte Achmad am Arm und starrte auf die Pier hinunter. »Schau nur!«
»Wo?«
»Ich sehe ihn!« rief Kalaila, die Hosen trug und das Haar unter einer griechischen Fischermütze versteckt hatte. »Lieber Gott, das kann ich einfach nicht glauben. Das ist er, nicht wahr?«
»Wer?« wollte der junge Sultan verärgert wissen.
»Hamendi«, gab Evan zur Antwort und zeigte auf einen Mann in weißem Seidenanzug, umgeben von Männern in Uniformen und arabischen Gewändern. Die Prozession setzte ihren Weg
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