Der Ikarus-Plan - Ludlum, R: Ikarus-Plan
das Gefühl, sein Körper sei eine einzige offene Wunde. »Es hätte nicht mehr lange gedauert, und ich wäre mit Allah vereint gewesen.«
»Das kann dir noch immer passieren, deshalb mache ich mir nicht die Mühe, deine Blutungen zu stillen.« Der junge Palästinenser schob Kendrick in sitzender Haltung an die Mauer. »Ich weiß nämlich nicht, ob du wirklich Amal Bahrudi bist oder nicht, ich habe rein instinktiv gehandelt. Nach den Beschreibungen, die ich von dir kenne, könntest du es sein, und du sprichst das Arabisch der Gebildeten, auch das paßt. Außerdem hast du dieser extrem harten Bestrafung standgehalten, obwohl das geringste Entgegenkommen von dir bedeutet hätte, daß du bereit warst, ihnen die Information zu geben, die sie von dir verlangten. Statt dessen hast du mit Trotz reagiert und dabei bestimmt gewußt, daß sie dich jeden Augenblick erwürgen konnten. Das ist nicht die Art eines Infiltranten, der nichts höher schätzt als das irdische Leben. Es ist unsere Art, daß wir unsere – wie du gesagt hast – heilige Sache bis zum letzten Blutstropfen verteidigen. Und bei Allah, heilig ist unsere Sache.«
Guter Gott! dachte Kendrick und studierte die kalte Miene des fanatischen Partisanen. Wie unrecht du hast! Wenn ich überlegt hätte, fähig gewesen wäre zu denken... Vergiß es! »Was wird – was kann dich überzeugen?« fragte er. »Ich sage dir gleich, daß ich nicht bereit bin, Dinge preiszugeben, die ich geheimhalten soll.« Kendrick unterbrach sich, legte die Hand auf die Kehle und schluckte trocken. »Auch dann nicht, wenn du dich entschließt, meine Bestrafung fortzusetzen, und mich erwürgst.«
»Beide Erklärungen habe ich erwartet«, antwortete der junge Terrorist, ging in die Hocke und kauerte jetzt vor Kendrick. »Aber du kannst mir sagen, warum du hergekommen bist. Warum hat man dich nach Maskat geschickt? Wen solltest du hier suchen? Von diesen Antworten hängt dein Leben ab, Amal Bahrudi, und ich bin der einzige, der diese Entscheidung treffen kann.«
Er hatte recht gehabt! Obwohl soviel dagegensprach, hatte er recht gehabt.
Flucht! Er mußte mit diesem jungen Fanatiker fliehen, der mordete, um seiner heiligen Sache zu dienen.
7
Kendrick starrte den Palästinenser an, als ob die Augen tatsächlich verraten könnten, was in der Seele eines Mannes vorgeht. Zum Glück waren Kendricks Augen viel zu verschwollen, um etwas anderes zu verraten als fast unerträglichen körperlichen Schmerz. »... die übrigen Wanzen stecken in den Spülkästen der Toiletten.« Dr. Amal Faisal, Kontaktmann zum Sultan.
»Man hat mich hergeschickt, um euch zu sagen, daß es unter euren Leuten in der Botschaft Verräter gibt.«
»Verräter?« Reglos verharrte der Terrorist in seiner kauernden Haltung. Außer einem kaum merklichen Stirnrunzeln zeigte er keine Reaktion. »Das ist unmöglich«, sagte er, nachdem er Amal Bahrudis Gesicht forschend betrachtet hatte.
»Du hast leider unrecht«, widersprach Kendrick. »Ich habe den Beweis selbst gesehen.«
»Was für einen Beweis?«
Kendrick zuckte plötzlich zusammen, griff sich an die verletzte Schulter und hatte die Hand sofort voller Blut. »Wenn du die Blutung nicht stillen willst, muß ich es tun«, sagte er und versuchte sich an der Mauer höherzuschieben.
»Bleib, wo du bist!«
»Warum? Warum sollte ich? Woher weiß ich denn, daß nicht auch du zu den Verrätern gehörst, die an unserer heiligen Sache nur Geld verdienen wollen?«
»Geld? Was für Geld denn?«
»Das wirst du nicht erfahren, solange ich nicht weiß, ob du das Recht dazu hast.« Wieder stemmte Kendrick sich gegen die Mauer, stützte die Hände auf den Boden und versuchte aufzustehen. »Du sprichst wie ein Mann, aber du bist noch ein Junge.«
»Ich bin schnell erwachsen geworden«, sagte der Terrorist und drückte seinen seltsamen Gefangenen wieder auf den Boden zurück.
»Dann verhalte dich auch wie ein Erwachsener. Wenn ich hier verblute, nützt das keinem von uns.« Kendrick zog sich das blutgetränkte Hemd von der Schulter. »Sie ist verschmutzt«, sagte er mit einem Nicken in Richtung der Wunde. »Voller Dreck und Schleim, dank deiner unmenschlichen Freunde hier.«
»Sie sind nicht unmenschlich, und sie sind nicht meine Freunde. Es sind meine Brüder.«
»Gedichte schreiben kannst du, wenn es deine Zeit erlaubt. Meine ist zu kostbar. Gibt es hier irgendwo sauberes Wasser?«
»In den Toiletten ist eine Wasserleitung.«
»Hilf mir auf!«
»Nein. Was für ein Beweis ist
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