Der illustrierte Mann
prüfte die brodelnden Hexenkessel, die Gifte und die mit Kreidestrichen gezogenen Drudenfüße. »Gut!« sagte er und lief weiter. »Ausgezeichnet!« rief er und setzte seinen Lauf fort. Leute schlossen sich ihm an und rannten gemeinsam mit ihm weiter. Hier kamen Mr. Machen und Mr. Coppard. Und dort waren haßerfüllte Schlangen und tobende Dämonen, feuerspeiende Bronzedrachen und geifernde Vipern, Giftpfeile, Nesseln und Dornen und all das üble Strandgut des zurückweichenden Meeres der Phantasie, angetrieben am düsteren Strand der Verzweiflung, winselnd und zuckend und schäumend.
Mr. Machen blieb stehen. Er ließ sich auf den kalten Sand fallen und blieb dort sitzen, schluchzend wie ein kleines Kind. Sie versuchten ihn zu trösten, aber er hörte nicht auf sie. »Mir fiel gerade ein«, sagte er, »was wird wohl mit uns geschehen, wenn die letzten Exemplare unserer Bücher vernichtet sind?«
Die Luft brodelte.
»Sprechen Sie nicht davon!«
»Wir müssen aber«, jammerte Mr. Machen. »Denn jetzt, während das Raumschiff zu uns herabstößt, schwinden Sie, Mr. Poe, Sie, Mr. Bierce, Sie, Mr. Coppard – Sie alle schwinden langsam dahin. Wie Rauch aus einem Holzstoß. Fortgeblasen. Ihre Gesichter schmelzen dahin ...«
»Tod! Endgültiger Tod für uns alle!«
»Wir existieren nur, weil die Erde es duldet. Wenn ein letzter Richtspruch heute nacht unsere letzten Werke vernichtet, würden wir ausgeblasen wie Kerzen.«
Coppard brütete vor sich hin: »Ich würde gern wissen, wer ich bin. In welchem irdischen Gehirn existiere ich heute nacht? In einer Hütte in Afrika? Im Geiste eines Einsiedlers, der meine Erzählungen liest? Ist er die einsam flackernde Kerze im Winde von Zeit und Wissenschaft? Der schwindende Schein, der mich hier im aufrührerischen Exil ernährt? Ist er es? Oder irgendein Junge, der mich in einer vergessenen Bodenkammer gefunden hat? Oh, letzte Nacht fühlte ich mich krank, krank bis ins Mark, denn genau wie das Fleisch einen Körper, hat auch die Seele einen solchen, und dieser Seelenkörper schmerzte, als wolle er auseinanderbrechen; letzte Nacht kam ich mir vor wie eine tropfende Kerze. Doch plötzlich sprang ich auf, von neuem Feuer erfüllt! Irgendein Kind, niesend vor Staub, hatte vielleicht gerade in einer finsteren Rumpelkammer auf der Erde ein abgegriffenes, vergilbtes Exemplar von mir gefunden! Und so ist mir noch eine kurze Frist gegeben!«
Die Tür einer kleinen Hütte am Strand sprang weit auf. Ein dünner, kleiner Mann, dem das Fleisch in Falten vom Leibe hing, trat heraus, setzte sich und starrte, ohne die anderen zu beachten auf seine geballten Fäuste.
»Der tut mir am meisten leid«, flüsterte Blackwood. »Seht nur, wie jämmerlich er vergeht. Einst war er wirklicher als wir, die wir doch Menschen waren. Sie griffen ihn auf, einen dürren Gedanken, kleideten dieses Skelett über die Jahrhunderte in rosiges Fleisch, angetan mit rotem Samt, schneeweißem Bart und glänzenden schwarzen Stiefeln, gaben ihm Rentiere und Esel, Rauschgold, Palmen- und Tannenzweige. Und nachdem sie ihn jahrhundertelang regelrecht fabriziert hatten, ertränkten sie ihn sozusagen in einem Faß mit Lysol.«
Die Männer schwiegen.
»Wie mag es jetzt auf Erden sein?« grübelte Poe. »Ohne Weihnachten? Ohne heiße Kastanien, ohne Christbaum, Trommeln, Schmuck und Kerzen – nichts, nichts als Schnee und Wind und einsame, nur nüchterne Tatsachen geltenlassende Leute ...«
Sie blickten alle zu dem dünnen, eingeschrumpften alten Mann mit dem zerzausten Bart und dem verblichenen roten Samtgewand hinüber.
»Kennen Sie seine Geschichte?«
»Ich kann sie mir vorstellen. Der Psychiater mit dem durchbohrenden Blick, der kluge Soziologe, der rachsüchtige, eifernde Erziehungswissenschaftler, die antiseptischen Eltern ...«
»Eine beklagenswerte Situation«, sagte Bierce lächelnd, »für die Händler mit Weihnachtskram. Wie ich mich aus meinen letzten Erdentagen erinnere, begannen sie schon am Tage vor Allerheiligen Tannenbäume aufzustellen und Weihnachtslieder zu singen. Wenn sie nur gekonnt hätten, würden sie in diesem Jahr schon im September damit angefangen haben!«
Bierce sprach nicht weiter. Mit einem Seufzer fiel er vornüber. Als er auf dem Boden lag, hatte er nur noch Zeit zu sagen: »Wie interessant.« Und während sie alle schreckerstarrt zusahen, verbrannte sein Körper zu Staub, und die Asche floh in schwarzen Schwaden in alle Winde.
»Bierce, Bierce!«
»Er ist fort!«
»Sein
Weitere Kostenlose Bücher