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Der illustrierte Mann

Der illustrierte Mann

Titel: Der illustrierte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Spürst du diese Sonne! George, ihr müßt euer Leben ändern. Wie so viele andere, habt ihr es nur auf materielle Annehmlichkeiten gegründet. Ihr müßtet verhungern, wenn etwas in eurer Küche nicht mehr funktionierte. Ihr wüßtet vielleicht nicht einmal mehr, wie man ein Ei aufschlägt. Eben darum müßt ihr einmal alle diese Apparate abschalten. Fangt neu an. Es wird einige Zeit brauchen. Aber in einem Jahr werden wir gute Kinder aus schlechten gemacht haben wart' es nur ab.«
    »Aber wird der Schock für die Kinder nicht zu groß sein, wenn wir das Kinderzimmer so plötzlich für immer abstellen?«
    »Ich möchte auf keinen Fall, daß sie sich noch eingehender mit dieser Geschichte befassen.«
    Die Löwen hatten ihr blutiges Mahl beendet. Sie standen am Rand ihres Futterplatzes und beobachteten die beiden Männer.
    »Jetzt fühle ich mich verfolgt«, sagte McClean. »Laß uns hinausgehen. Ich habe diese verdammten Zimmer nie besonders gern gemocht. Machen mich nervös.«
    »Die Löwen sehen sehr echt aus, nicht wahr?« meinte George Hadley. »Ich will doch nicht hoffen, daß sie irgendwie ...«
    »Daß sie was?«
    »Daß sie irgendwie wirkliche Gestalt annehmen können?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Irgendeine Fehlschaltung im Mechanismus, vielleicht weil die Kinder daran herumgespielt haben?«
    »Nein.«
    »Ich glaube, das Zimmer wird sich nicht gern abschalten lassen«, sagte der Vater.
    »Nichts stirbt gern – nicht einmal ein Zimmer.«
    »Ob es mich wohl haßt, weil ich es abschalten will?«
    »Die Paranoia hängt heute hier ziemlich dick in der Luft«, erklärte David McClean. »Man kann ihr folgen wie auf einer Spur. – Hallo!« Er bückte sich und hob ein blutiges Halstuch auf. »Ist das deins?«
    »Nein.« George Hadleys Gesicht wurde hart. »Es gehört Lydia.«
    Sie gingen zusammen zum Sicherungskasten und warfen den Hebel herum, der das Zimmer sterben ließ.
     
    Die beiden Kinder bekamen hysterische Anfälle. Sie schrien und bäumten sich auf und warfen Gegenstände herum. Sie heulten und schluchzten und fluchten und sprangen auf die Möbel.
    »Ihr dürft das nicht mit dem Zimmer machen, ihr dürft das nicht!«
    »Nehmt euch zusammen, Kinder.«
    Die Kinder warfen sich weinend auf eine Couch.
    »George«, sagte Lydia Hadley, »schalte das Kinderzimmer wieder ein, nur für ein paar Minuten. Du kannst ihnen das nicht so plötzlich zumuten.«
    »Nein!«
    »Du kannst nicht so grausam sein.«
    »Lydia, es ist abgeschaltet, und es bleibt abgeschaltet. Und das ganze übrige verdammte Haus soll ebenfalls augenblicklich ausgelöscht werden. Je mehr ich die Patsche erkenne, in die wir da freiwillig hineingeraten sind, um so übler wird mir davon. Wir haben schon viel zu lange unseren automatisierten, elektronischen Nabel betrachtet. Mein Gott, wie sehr wir doch einen Atemzug frische Luft brauchen!«
    Und er marschierte durch das Haus, schaltete die sprechenden Uhren ab, die Herde, die Thermostaten, die Schuhputzmaschinen, die Schnürsenkelbinder, die Bade-, Bürste- und Massageapparate und alle anderen Maschinen, die er erreichen konnte.
    Das Haus schien voller Leichen zu sein. Man kam sich vor wie auf einem Maschinenfriedhof. So still war es. Kein Summen mehr von verhaltener Energie, die auf Knopfdruck den Dienst verborgener Mechanismen auslöste.
    »Laßt ihn das nicht tun!« heulte Peter anklagend gegen die Decke, als riefe er das Haus, das Kinderzimmer an. »Laßt Vater nicht alles zerstören!« Er wandte sich an seinen Vater: »Oh, ich hasse dich!«
    »Frechheiten werden dir auch nicht helfen.«
    »Ich wünschte, du wärest tot!«
    »Wir waren es, eine lange Zeit. Aber jetzt wollen wir beginnen, wirklich zu leben. Anstatt uns von den Maschinen beherrschen und dirigieren zu lassen, wollen wir jetzt wirklich leben.«
    Wendy weinte immer noch, und Peter leistete ihr erneut Gesellschaft. »Nur ein Mal noch, nur ein Mal noch, nur ein einziges Mal noch das Kinderzimmer«, jammerten sie.
    »O George«, sagte seine Frau, »es kann doch nichts schaden.«
    »Na schön – sie sollen ihren Willen haben, wenn sie dann nur ruhig sind. Aber nur einen Augenblick, verstanden, und dann aus und vorbei für immer.«
    »Vati, Vati, Vati!« sangen die Kinder, mit glücklich lächelnden, nassen Gesichtern.
    »Und dann fahren wir in die Ferien. David McClean kommt in einer halben Stunde und hilft uns, mit unseren Sachen zum Flugplatz zu kommen. Ich gehe mich jetzt umziehen. Du, Lydia, kannst das Kinderzimmer für ein paar

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