Der im Dunkeln wacht - Roman
ihr vorbei.
»Ich hörte ihn jaulen und dachte, dass er vielleicht mal raus muss … Als ich die Tür öffnete, lief er einfach nach draußen. Und den Ball nahm er mit«, sagte die Kommissarin entschuldigend.
Sie drückte die Schultern durch und meinte:
»Außerdem ist das hier nichts für einen Hund und wie gesagt auch kein Hundeasyl.«
Bei der letzten Bemerkung warf sie Jonny einen giftigen Blick zu. Sie als Vorsteherin eines Hundeasyls zu bezeichnen war vermutlich nicht sonderlich weise, dachte Irene.
»Ich gehe eine Runde mit ihm raus«, sagte sie.
Sie ging in ihr Büro, um die Leine zu holen. Als sie an der Kommissarin vorbeikam, musste sie lächeln. Zum ersten Mal in zwei Jahren hatte Irene den Eindruck, dass sich Efva Thylqvist Gedanken über das Befinden eines anderen Lebewesens machte. Obwohl es sich nur um einen Hund handelte, musste das doch als großer Fortschritt gewertet werden.
Die letzte Person auf Irenes und Jonnys Liste war Daniel Börjesson, 33 Jahre alt, alleinstehend, Beruf: Parkarbeiter, wohnhaft in der Basungatan.
Einem telefonischen Hinweis hatten sie den Namen zu verdanken.
Die Informantin war eine junge Frau gewesen, die anonym hatte bleiben wollen. Aus Erfahrung wussten die Beamten, dass es sich um die Rache einer Exfreundin oder einer Frau, die gerne die Freundin geworden wäre, handeln konnte. Laut dem Kollegen, der den Tipp entgegengenommen hatte, hatte sie Namen und Adresse Daniel Börjessons mit klarer und deutlicher Stimme vorgebracht. Anschließend war sie einen Augenblick verstummt und hatte mit zitternder Stimme gesagt: »Es besteht doch kein Risiko, dass er erfährt, wer …? Sie notieren sich doch wohl nicht meine Nummer?« Nachdem ihr der Kollege versichert hatte, dies sei nicht der Fall, hatte sie gesagt: »Er ist so seltsam. Und zwar liegt das an seinen Augen. Er sagt nie etwas. Ich meine, nicht … Aber irgendetwas … stimmt nicht.« Dann hatte sie aufgelegt. Nur wenige Stunden später hatte der Besitzer eines kleinen Ladens in dem Viertel, in dem Daniel Börjesson wohnte, angerufen. Auch er war der Ansicht gewesen, dass Daniel dem Phantombild ähnele.
»Zwei Hinweise zur selben Person. Hochinteressant«, meinte Jonny.
Sie unterhielten sich als Erstes mit dem Besitzer des kleinen Ladens. Eigentlich handelte es sich eher um einen gut sortierten Kiosk mit Lottoannahmestelle. Die Schlange vor der Lottokasse war lang. Das Mädchen, das dort stand, hatte sehr viel zu tun. Jonny sagte zu Irene:
»Alle träumen vom schnellen Reichtum, aber die Einzigen, die reich werden, sind der Staat und die Wettbüros.«
Der Ladenbesitzer stellte sich als Theo Papadopoulos vor. Er war klein, korpulent und Anfang sechzig und sprach den Göteborger Dialekt fast akzentfrei. Daraus schloss Irene, dass er in Göteborg zur Welt gekommen sein musste. Das war allerdings nicht der Fall.
»Ich flüchtete in den 70er Jahren vor der griechischen Junta
nach Schweden und wohne seither in Göteborg. Hier habe ich auch meine Frau kennengelernt. An der Kasse dort drüben steht unsere jüngste Tochter. Wir haben vier Kinder, aber Melina ist die Einzige, die hier arbeitet. Außer meiner Frau und mir. Dann gibt es noch zwei junge Männer, die an Wochenenden und abends stundenweise aushelfen. Ich will nicht, dass Melina und meine Frau dann arbeiten«, sagte Theo. »Der Laden scheint ja gut zu laufen«, meinte Jonny und nickte in Richtung der Schlange.
»Es geht so«, sagte der Grieche und lächelte.
Ein Blick auf Melina genügte, und Irene wusste, warum die Schlange fast nur aus Männern bestand. Ihr langes honigblondes Haar fiel in Wellen auf den Rücken. Sie war eine Schönheit und schenkte den Kunden ein strahlendes Lächeln, wenn sie ihre Einsätze bezahlten.
Auf einem Monitor über Melinas Kopf begann ein Kommentator erregt zu rufen. Offenbar war über einem Foto, das Pferde im Zieleinlauf zeigte, ein Streit entbrannt. Irene fand, dass es jetzt auch für sie an der Zeit sei, zur Sache zu kommen.
»Wir würden uns mit Ihnen gerne über Ihren Hinweis hinsichtlich des Phantombilds unterhalten«, sagte sie.
Papadopoulos wurde sofort ernst und strich sich mehrmals über seine beginnende Glatze. Er führte sie in ein Hinterzimmer und bat sie, auf einem der Stühle an einem kleinen Tisch mit einer ramponierten Hartfaserplatte Platz zu nehmen.
»Ich habe diesen Laden jetzt seit dreißig Jahren, und Daniel wohnt schon die ganze Zeit hier«, sagte er und deutete auf das Nachbarhaus.
»Dreißig
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