Der im Dunkeln wacht - Roman
nahm er den Ball und warf ihn. Auf rutschigen Krallen startete Egon durch und setzte dem blauen Ball hinterher.
»Was für ein Tempo!«, rief Jonny mit einem breiten Lächeln.
»Das hier ist kein Hundeasyl. Sieh bitte zu, dass er in deinem Zimmer bleibt«, sagte Thylqvist.
Sie sah Irene scharf an, machte kehrt und begab sich in ihr Dienstzimmer. Jedenfalls hat sie nicht verlangt, dass ich ihn sofort wegschicke, dachte Irene. Dann lockte sie Egon wieder in ihr Zimmer. Ohne Proteste begab er sich dort in seinen Korb. Neben ihm lag der Ball. Wahrscheinlich hatte er während der
letzten Wochen weniger Beschäftigung gehabt als in dieser letzten Stunde allein. Er wirkte zufrieden und schloss die Augen. Als Irene wieder ihr Zimmer verließ, hörte sie ihn friedlich schnaufend schlafen.
Hannu und Sara hatten noch einen Namen auf ihrer Liste jener Leute, von denen möglicherweise einer Fischauge sein konnte, wie sie den Mann vom Phantombild getauft hatten. Vorläufig konnten sie ihn noch nicht ausfindig machen, würden ihre Bemühungen an diesem Tag aber noch verstärken. Irene und Jonny hatten noch zwei Kandidaten übrig, denen sie ebenfalls einen Besuch abstatten wollten.
Nach dem vorläufigen Bericht der Gerichtsmedizin deutete weiterhin nichts daraufhin, dass Ann-Britt Söderström ermordet worden war. Die Obduktion würde nach dem Wochenende vorgenommen werden.
Irene erhielt die Telefonnummer von Ann-Britt Söderströms Tochter. Laut dem Zettel, den Sara ihr gegeben hatte, hieß sie Anna Hallin. Nach längerem Klingeln antwortete eine leise Frauenstimme.
»Mein Name ist Irene Huss von der Kriminalpolizei in Göteborg. Ich möchte Ihnen als Allererstes mein Beileid aussprechen. Meine Kollegin, Kriminalinspektorin Sara Persson, und ich haben Ihre Mutter gefunden«, sagte Irene.
»Danke … vielen Dank. Es kam ja nicht vollkommen überraschend. Meine Mutter war seit einigen Jahren schwer herzkrank, aber ich glaubte … dass sie es noch eine Weile schaffen würde«, sagte Anna Hallin.
Es war zu hören, dass sie den Tränen nahe war. »Gemäß der uns vorliegenden Angaben deutet alles darauf hin, dass sie ruhig eingeschlafen ist. Sie sah auch sehr friedlich aus, als wir sie gefunden haben. Sie lag im Bett und wirkte zufrieden«, sagte Irene.
»Es ist schön, das zu wissen … Schließlich ist sie allein gestorben.
Mein Vater ist seit vielen Jahren tot, und ich war das einzige Kind.«
Das wusste Irene bereits, brummte aber zur kenntnisnehmend, »Das ist nicht leicht« und fragte dann:
» Wir haben ein kleines Problem. Egon. Was sollen wir mit ihm machen.«
»Oh! Egon hatte ich ganz vergessen. Ja, was machen wir mit ihm?«
»Ich hatte ihn das Wochenende über bei mir. Mein Mann und ich hatten früher Hunde, das war also kein Problem. Können Sie nach Göteborg kommen und ihn abholen?«
Anna Hallin holte tief Luft.
»Das geht nicht! Meine Tochter ist ausgesprochen allergisch, und Haustiere kommen absolut nicht in Frage. Das wussten wir nicht, als wir Egon kauften. Mein Sohn wollte so gerne einen Hund … Glücklicherweise erfuhren wir von der Allergie, ehe wir Egon abholten. Deswegen habe ich ihn meiner Mutter geschenkt. Damit sie Gesellschaft hat und jeden Tag aus dem Haus kommt … Aber ob das in letzter Zeit sonderlich gut funktioniert hat, weiß ich nicht.«
Vermutlich nicht, dachte Irene, sagte das aber nicht. Stattdessen fragte sie:
»Und was machen wir jetzt?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Anna nach kurzem Schweigen hilflos.
»Soll ich ihn so lange behalten? Bis Ihnen etwas eingefallen ist?«
Irene war von ihren Worten überrascht. Korrekt wäre gewesen, Anna Hallin mitzuteilen, Egon werde drei Wochen lang in einem Hundepensionat untergebracht, und in der Zeit könne entschieden werden, was mit ihm zu geschehen habe. Falls niemand den Hund wollte, musste man ihn schlimmstenfalls einschläfern lassen. So sahen die Gepflogenheiten aus, aber Irene
wollte ihn nicht schon wieder einem neuen Milieu aussetzen. Mindestens vierundzwanzig Stunden lang hatte er sich mit seinem toten Frauchen in der Wohnung aufgehalten. Verängstigt und allein, ohne Futter und Wasser, hatte er an der Wohnungstür gesessen und gejault. Nein, das Tier brauchte etwas Wärme und Geborgenheit. Irene und Krister mochten den Hund und fanden, dass sie ihm diese Zuwendung geben konnten. So würden sie es machen. Irene war froh, dass Anna Hallin mit dem Vorschlag einverstanden war. Sie einigten sich darauf, wieder zu telefonieren, wenn
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